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DREI KAISER – DREI
BIBLIOTHEKEN212
1869, dass dieses „zu anderen Dispositionen dringend benöthiget“ wird und
Wich es innerhalb von 14 Tagen zu räumen habe. Seine anderweitige Un-
terbringung wird dem seit einem Monat im Amt befindlichen neuen Vorste-
her der Fideikommissbibliothek Moritz von Becker überantwortet.692 Dieser
versucht in einer ausführlichen Stellungnahme, die Wichtigkeit der räum-
lichen Nähe des Dienerquartiers zu seinem Arbeitsplatz zu betonen. Schon
Kaiser Franz I. habe bei der Auswahl der Lokalitäten für seine Bibliothek
darauf geachtet, dass dabei für den Diener „eine mit diesen unter gemein-
samer Sperre befindliche Naturalwohnung“ zur Verfügung stehe. Dies sei
auch bei der Hofbibliothek und dem Naturalienkabinett der Fall. Dort wo
eine derartige Unterbringung nicht möglich sei, wie im Münz-, Antiken- oder
Mineralienkabinett und der Schatzkammer, werde eine eigene Wache bereit-
gestellt. Die Bedeutung, die dem Diener beigemessen werden kann, sei aus
dem Umstand ersichtlich, dass diesem neben dem Vorsteher als einzigem die
Bibliotheksschlüssel anvertraut wurden, „weshalb auch dessen Einkünfte so
hoch bemessen wurden, wie sie eben dem, in diesen Diener gesetzten Ver-
trauen und seiner großen Verantwortung entsprechen“. Die Vorgänge 1865
hätten schlussendlich dazu geführt, dass gegen den Willen der Bibliotheks-
leitung die Umwidmung der Wohnung stattgefunden habe und dadurch die
Vorteile eines ständig vor Ort befindlichen Dieners zunichtegemacht worden
wären. Außerhalb der Amtszeiten sei die Bibliothek nun daher versperrt,
sonst aber ohne Bewachung. Von der Stallburg aus sei es Wich zumindest
möglich gewesen, „in Bedarfsfällen, wenn, wie dieß wiederholt vorgekom-
men ist, außer den Amtsstunden Aufträge von Mitgliedern der allerhöchsten
Familie an die Bibliothek gelangten, die im Bürgerspitale in der Stadt woh-
nenden Beamten Thaa Vater et Sohn von denselben sogleich in Kenntniß zu
setzen“. Das Obersthofmeisteramt hätte die ursprüngliche Dienerwohnung
Beckers Ansicht nach also nie für andere Zwecke verwenden dürfen, wobei
man mit der Transferierung Wichs in die Stallburg „unzweifelhaft die […]
durch Seine Majestät den Kaiser Franz ertheilte Berechtigung auf eine Die-
nerswohnung in der k. k. Hofburg anerkannt“ habe. Infolge der unzumutbar
kurzen Kündigungsfrist war Wich ein 45 Minuten von der Hofburg entfernt
liegendes Ausweichquartier im k. k. Augartengebäude mit der Auflage zuge-
billigt worden, auch dieses im Bedarfsfalle wieder zu räumen. Becker bittet
das Obersthofmeisteramt daher, seine Rücksiedlung in die Hofburg nach al-
len Kräften zu verfolgen, zumal man um das übliche Quartiergeld von 120 fl.
keine Unterkunft in vertretbarer Nähe bekommen könne.693
692 FKBA26129, fol. 1r–v.
693 Ebenda, fol. 3–6, Stellungnahme vom 23.08.1869.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Titel
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Untertitel
- Metamorphosen einer Sammlung
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1073
- Kategorien
- Geschichte Chroniken