Seite - 221 - in Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918 - Metamorphosen einer Sammlung
Bild der Seite - 221 -
Text der Seite - 221 -
DIE FIDEIKOMMISSBIBLIOTHEK UND DIE PRIVATBIBLIOTHEK FRANZ JOSEPHS 221
den ihm anvertrauten Arbeitsbereich vorgefunden hat und welche Maßnah-
men er zu welchem Ziel zu setzen plant, fasst er in einem, auf ausführli-
chem Aktenstudium fußenden Zustandsbericht samt Arbeitsprogramm vom
26. September 1870 zusammen, der zunächst an Kabinettsdirektor Braun
gerichtet ist und in weiterer Folge (vermutlich summarisch) auch Kaiser
Franz Joseph vorgetragen wird. Da dieses Dokument nicht nur die Grund-
lage für Beckers 18-jährige Tätigkeit als Bibliotheksdirektor, sondern als
beinahe schon fundamentales Referenzwerk für die weitere Umgestaltung
der Bibliothek gelten kann, ist der Text im Anhang in seiner vollen Länge
abgedruckt und wird an dieser Stelle nur anhand der wichtigsten Aspekte
dargelegt.710
An den Beginn stellt Becker eine Übersicht, sowohl zum Umfang der Be-
stände der Bibliotheken (Fideikommiss- und franzisko-josephinische Privat-
bibliothek) als auch zu ihrer räumlichen Unterbringung. Seine inhaltliche
Analyse beginnt er mit einer verheerenden Abrechnung mit der Ära Khloy-
ber. Dieser habe ihm eine ungeheuer große Anzahl an ungebundenen, in-
kompletten Werken „in geord[n]eten Packeten“ hinterlassen, „um meiner
Verfügung vorbehalten zu werden“. Die Böswilligkeit die Becker dahinter
vermutet, lässt sich schon aus den ersten Zeilen dieser Beschreibung erah-
nen. Diese war ihm auch von den Bibliotheksmitarbeitern bestätigt wor-
den, welche ihren ehemaligen Vorsteher des Öfteren gebeten hätten, jene
Bestände einer „bibliothecarischen Behandlung“ zuführen zu dürfen, was
jedoch stets untersagt worden sei. Konkret betreffe dies etwa 500 Werke in
600 Bänden, die wohl im Zeitraum von 1836 bis zu Khloybers Tod 1869 ange-
schafft worden sind. Darunter mehr als 300 äußerst kostbare Publikationen
aus den Gebieten Archäologie, Kunstgeschichte, den Naturwissenschaften
und Geografie samt ebenso wertvollen Illustrationen, bei denen es Khloybers
Pflicht gewesen wäre, die heftweisen Lieferungen auf ihre Vollständigkeit
zu prüfen und gegebenenfalls zu reklamieren. Eine nachträgliche Urgenz
sei – falls die betreffenden Verlage überhaupt noch existierten – äußerst kos-
tenintensiv und würde mit dem realen Wert dieser Erzeugnisse in keinem
Verhältnis stehen. Daneben habe Khloyber insgesamt 60 Werke erworben,
obwohl diese bereits zu einem früheren Zeitpunkt angeschafft worden waren
oder als Geschenke an den Kaiser in die Sammlung gekommen sind.711 Den
Grund für Khloybers fahrlässiges Verhalten sieht Becker in den Ereignissen
der Jahre 1852/53, die schlussendlich zum Entzug der Verwaltungsbefugnis
über einen Großteil der Dotation geführt haben.712 Khloyber hat, kurzgesagt,
710 Vgl. Anhang 6.6.
711 FKBA26135, pag. 1–7.
712 Wird in Abschnitt 5.10.3 detailliert besprochen.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Titel
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Untertitel
- Metamorphosen einer Sammlung
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1073
- Kategorien
- Geschichte Chroniken