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DIE FIDEIKOMMISSBIBLIOTHEK UND DIE PRIVATBIBLIOTHEK FRANZ JOSEPHS 271
schen Gesellschaft in Wien überlassen, deren Schutzherr ja Kronprinz Ru-
dolf sei, oder der königlich-böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften in
Prag spenden. Die in der Privatbibliothek Franz Josephs befindliche Büste
Kaiser Franz’ I. von Pompeo Marchesi wäre zugunsten einer ebensolchen,
„für die Tradizionen des Kaiserhauses weit wertvolleren“ Büste des Bildhau-
ers Johann Nepomuk Schaller, die man ebenfalls aus dem ferdinandeischen
Bestand nach Wien transportiert hatte, auszusondern und allenfalls der Ge-
sellschaft patriotischer Kunstfreunde in Böhmen zu schenken. Als Adressa-
ten für den Telegrafen- bzw. den Doebler’schen Nebenbilderapparat schlägt
Becker die deutsche und die böhmische technische Hochschule in Prag vor.
Mit nach Wien hatte man überdies das vom Wiener Optiker Simon Plößl für
Kaiser Ferdinand hergestellte Mikroskop samt einer mehr als 5.000 Objekte
umfassenden, einst von Fachleuten des k. k. Naturalienkabinetts zusam-
mengestellten Präparatesammlung genommen, wovon ein äußerst interes-
santer Teil verschiedenste „Mundtheile der Coleopteren [Mundwerkzeuge
der Käfer]“ enthält. Da für die Bibliothek ungeeignet, rät Becker, das Mikro-
skop an Kronprinz Rudolf „bei dem regen Interesse, welches Seine Kaiser-
liche Hoheit […] den Naturwissenschaften zuwendet“, weiterzugeben. Für
die Spezialsammlung zu den Käfern habe das k. k. zoologische Kabinett be-
reits Interesse bekundet. Eine Entscheidung sei schlussendlich auch bezüg-
lich des Aufbewahrungsortes der aus Prag übernommenen Familienbriefe
(Briefe an Ferdinand) und Schriften aus der Studienzeit des verstorbenen
Kaisers zu treffen. In der Vergangenheit sei man etwa mit dem Nachlass
Franz’ I. so verfahren, dass dessen sämtliche Familienpapiere 1864 an das
Haus-, Hof- und Staatsarchiv abgegeben worden sind, während man die Ju-
gend- und Studienarbeiten in der Bibliothek behalten hat.886
Franz Joseph entscheidet wie erwartet ganz nach Beckers Anträgen.887
Die Gesellschaft patriotischer Kunstfreunde in Böhmen erhält neben der
Büste auch die Porträts Franz’ I., der Königin von Sachen sowie die Vedute
Alts, während die nach Wien transportierten Dubletten von Reisewerken der
Geographischen Gesellschaft „als ein Geschenk ihres durchlauchtigsten Pro-
tectors [Kronprinz Rudolf]“ zugewendet werden.888 Die umfangreiche Samm-
lung naturhistorischer Präparate geht an das k. k. zoologische Kabinett,
886 FKBA28019, fol. 1–6, Konzept vom 04.11., das ausgefertigte Schreiben vom 05.11.1875 mit
einigen Anmerkungen Franz Josephs zur Übergabe der Werke an die Geographische Ge-
sellschaft im Namen Rudolfs sowie zur Aufbewahrung der Briefe und Studienunterlagen
Ferdinands in der Fideikommissbibliothek, siehe Wien, ÖStA, HHStA, Kabinettskanzlei,
Direktionsakten, Kt. 9, 3–1875.
887 FKBA28019, fol. 15–16. Verlautbarung in der Wiener Zeitung Nr. 265 v. 19.11.1875, Titel-
seite.
888 Bücherlisten unter FKBA28019, fol. 33–34.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Titel
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Untertitel
- Metamorphosen einer Sammlung
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1073
- Kategorien
- Geschichte Chroniken