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BIBLIOTHEKSGESCHICHTE 447
von anderen Personen vorgeschlagen wurden.47 Die meisten von ihnen wur-
den durch hochrangige Persönlichkeiten empfohlen, die dies aber anschei-
nend hauptsächlich aufgrund der Intervention der Bewerber oder ihrer
Förderer taten. Denn nicht alle „Protektoren“ leisteten diesen Dienst aus
Überzeugung. Oberstkämmerer Ferdinand Graf Trauttmansdorff etwa ent-
schuldigte sich ausdrücklich für die Weiterleitung eines Bewerbungsschrei-
bens:
„Eure Excellenz,
bin ich weit entfernt mit einer Anempfehlung zu belästigen, aber ich über-
mittle Ihnen ferner beiliegenden Brief, der von freier Hand geschrieben, Un-
kenntniß meiner Competenz verräth u. mit welchem Sie dasjenige machen
werden was Sie für gut finden ganz ohne Rücksicht auf mich indem ich Sie
bitte zu entschuldigen daß ich zur Erleichterung meines Gewissens an Sie
leite was an mich gelangt ist in einer Sache in der ich eine Ingerenz zu üben
absolut weder berufen noch gewillt bin.“48
Etwas sarkastisch drückte sich mit gleicher Absicht Justizminister Friedrich
Graf Schönborn aus:
„Eure Excellenz!
Nur zwei Worte mit der ausdrücklichen Bitte, mir nicht zu antworten.
Von einer älteren, aber höchst energischen Dame wurde ich beschworen,
bei Eurer Excellenz ein Fürwort für einen H[errn] Domanig, Bewerber um
die Stelle eines Directors in der kaiserlichen Familien-Bibliothek einzulegen.
H[err] Domanig würde vor Allem wünschen, von Eurer Excellenz in Audienz
empfangen zu werden.
Herr Doming behauptet, von Mitgliedern der a[ller]h[öchsten] Dynastie
protegiert zu werden. Ist dies wirklich der Fall, so wird mein Wort (noch dazu,
da ich erkläre den Herrn gar nicht zu kennen!) kaum ins Gewicht fallen.
Ich bin mir also bewußt, einen ganz unnützen Brief zu schreiben und kann
die Belästigung Eurer Excellenz, sowie meine Zuschrift nur mit der Rücksicht
auf die Eingangs erwähnte energische Dame entschuldigen.“49
Auffällig ist, dass fast alle Anwärter auch als Erzieher für die kaiserliche
Familie tätig waren oder vorgaben, dies gewesen zu sein. Dass bereits Be-
cker und Zhishman derartige Funktionen vor ihrer Bestellung zum Direktor
47 Wien, ÖStA, HHStA, GdPFF, J.R., Kt. 534, Z. 4321 ex. 1894.
48 Ebenda, Brief v. Ferdinand Graf Trauttmansdorff an Emil v. Chertek, s. d.
49 Ebenda, Brief v. Friedrich Graf Schönborn an Emil v. Chertek v. 11.02.1895.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Titel
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Untertitel
- Metamorphosen einer Sammlung
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1073
- Kategorien
- Geschichte Chroniken