Seite - 557 - in Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918 - Metamorphosen einer Sammlung
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BIBLIOTHEKSGESCHICHTE 557
von Beckers Direktion zu einer Reihe von Initiativen zur Neu-Katalogisie-
rung und Revision der Bestände, die nicht alle zeitgemäß und zweckvoll wa-
ren und die ausserdem in den wenigsten Fällen zu einem befriedigenden Ab-
schluss gelangten. Noch heute existiert in der Fideikommissbibliothek eine
Unzahl an gebundenen Katalogen und Repertorien sowie an Zettelkatalogen,
über deren Entstehung und Funktion oft wenig bekannt ist. Ich werde versu-
chen aus den in den Akten nachvollziehbaren Tätigkeiten zur Erschließung
der Sammlungen ein wenig Ordnung in dieses Wirrwarr zu bringen.
Porträtsammlung
Welche Maßnahmen Becker zur Neuordnung der Porträtsammlung vor-
sah, ersehen wir am besten aus Jureczeks Arbeitsbericht vom 1. September
1887.477 Die Aufstellung nach Ständen478 wird darin zwar nicht grundsätzlich
infrage gestellt, doch übt Jureczek Kritik an der „Wahl und Anordnung der
Gruppen“, welche „nicht nach einem überdachten System, sondern ohne ge-
genseitigen Zusammenhang, nach der Mehrzahl der je vorliegenden Porträte
getroffen [wurden]. Die Folge hievon ist, dass diese Anordnung den jetzi-
gen Anforderungen nirgend[wo] mehr entspricht […]“.479 Die Probleme, die
Jureczek konkret anspricht, haben hauptsächlich mit der Erstellung einer
umfassenden und zugleich nicht überlappenden Klassifikation aller Berufe
und sozialen Gruppen zu tun: Die „Stände greifen ineinander, oder sind sich
gegenseitig über- resp. untergeordnet, lassen wieder andrerseits Lücken, so
dass Porträte mancher Persönlichkeiten die Wahl schwer machen, in wel-
chen von oft 4 bis 5 gleich entsprechenden Ständen man sie legen soll, wäh-
rend für andere kein Stand passen will […]“.480 Dass das System und vor
allem die Auswahl mancher Stände auch aus anderen Gründen bereits im
späten 19. Jahrhundert kurios erscheinen mussten, wird bestenfalls ange-
deutet; es könnte etwa „den Spott der Benutzer herausfordern und das Ur-
theil über die Bibliothek und ihr Personale beeinflussen.“481 Konkrete Vor-
schläge zu Änderungen im Stände-System findet man in Jureczeks Bericht
nicht; doch kann man aufgrund von Äußerungen in einer zwanzig Jahre
später anlässlich einer geplanten Revision verfassten Denkschrift des selben
477 FKBA31100, fol. 7r–11r; Knappe Bemerkungen zur geplanten Neuordnung der Porträt-
sammlung, die sich mit jenen von Jureczek decken, finden sich auch in einem Bericht von
Wenzel Schaffer: FKBA31100, fol. 27r–28r.
478 Dabei handelt es sich um 72 Klassen, die sowohl Ämter und Berufe als auch soziale und
weltanschauliche Gruppen umfassen (vgl. Poch, Porträtsammlung, 243–249).
479 FKBA31100, fol. 7r–v.
480 FKBA31100, fol. 7v.
481 FKBA31100, fol. 8r.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Titel
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Untertitel
- Metamorphosen einer Sammlung
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1073
- Kategorien
- Geschichte Chroniken