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BIBLIOTHEKSGESCHICHTE 571
die Problematik der Privatbibliothek des Kaisers indirekt ins Bewusstsein
gerufen wurde. Becker hatte im März dieses Jahres um einen persönlichen
Augenschein des Monarchen in den Sammlungsräumen gebeten, der am
18. Mai 1877 auch tatsächlich erfolgte und bei dem erneut auf die konserva-
torischen Unzulänglichkeiten des Dachbodens hingewiesen wurde. In einem
diesbezüglichen Vortrag an das Obersthofmeisteramt stellte Becker darauf-
hin den formellen Antrag, dass die Räume des Münz- und Antikenkabinettes
im Augustinergang nach der Übersiedelung dieser Sammlungen in das im
Bau befindliche kunsthistorische Hofmuseum am Ring für die Privatbiblio-
thek des Kaiser in Anspruch genommen werden könnten.528 Mit Kabinetts-
schreiben vom 12. Dezember 1877 wurde ihm daraufhin der Beschluss des
Obersthofmeisteramtes mitgeteilt,529 der lediglich vorsah, dass nach Vollen-
dung der Hofmuseen „jedenfalls für eine zweckentsprechende Unterbrin-
gung der Allerhöchsten Privat- und Fideikommiß-Bibliothek […] Vorsorge
getroffen werden“ würde.530 Man wollte sich offenbar noch nicht auf die Lo-
kalitäten im Augustinergang festlegen, „da dieser Trakt bei Ausführung des
Neubaues der Hofburg demoliert werden wird“.531
Auf diese beiden Vorakte bezog sich Becker im Verwaltungsbericht für
das Jahr 1881, als er angesichts der sich abzeichnenden Fertigstellung der
Hofmuseen532 den Kaiser erneut drängte, dass „die freien Räume des Münz
und antiken-Cabinetes sowie die des Mineralien-Cabinetes sammt den der-
malen darin befindlichen und in den neuen Museen zur Verwendung nicht
gelangenden Holz- und Glasschränken der k. k. Familien-Fideicommiss-Bib-
liothek zur Unterbringung eines Theiles ihrer Sammlungen überlassen wer-
den.“533 Er zitiert dabei die entsprechende Stelle aus dem Kabinettsschrei-
ben vom 12. Dezember 1877 ausführlich und führt im Anschluss daran drei
Gründe an, „warum unter allen Umständen die Räume des Münz- und An-
tiken-Cabinetes sowie die des Mineralien-Cabinetes für die Unterbringung
eines Theiles der k. k. Familien-Fideicommiss-Bibliothek – auch abgesehen
528 FKBA28074, fol. 1–4 (Konzept); der Bericht über den Besuch des Kaisers auf fol. 1r–2r, der
Antrag auf fol. 2r–v.
529 Der Originalakt liegt unter: Wien, ÖStA, HHStA, Kabinettskanzlei, Direktionsakten, Kt. 9,
26–1877; dort auch die Reinschrift von Beckers Vortrag (FKBA28074, fol. 1–4), auf dessen
erster Seite Franz Joseph mit eigener Hand angemerkt hat: „Der Antrag des neuen Locales
für die Bibliothek ist mir gleich nach meiner Ankunft in Wien, wieder vorzulegen.“
530 FKBA28074, fol. 8r.
531 Ebenda, fol. 8v.
532 1881 wurden die ersten Sammlungen provisorisch in das Naturhistorische Museum über-
siedelt; seine offizielle Eröffnung erfolgte jedoch erst 1889, jene des Kunsthistorischen Mu-
seums 1891. Zur Planungs- und Baugeschichte der Museen siehe den Beitrag von Kurdi-
ovsky, Hofmuseen.
533 FKBA30040, fol. 9r.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Titel
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Untertitel
- Metamorphosen einer Sammlung
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1073
- Kategorien
- Geschichte Chroniken