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BIBLIOTHEK UND ÖFFENTLICHKEIT 635
sollte in der seit 1890 erscheinenden Mustersammlung „Dekorative Vorbilder“
veröffentlicht werden.763
Wenige Jahre nach der Veröffentlichung von Buss und Hoffmann fühlte
sich auch einer der „Adressmaler“ veranlasst, einige seiner Werke aus der
Fideikommissbibliothek öffentlich zu präsentieren. In der Jubiläums-
Kunstausstellung der Wiener Künstler-Genossenschaft, die 1898 anlässlich
des 50-jährigen Regierungsjubiläums des Kaisers im Künstlerhaus veran-
staltet wurde, zeigte Karl Geiger zwei seiner zur Silberhochzeit 1879 gemal-
ten Adress-Urkundenblätter – „über Aufforderung“, wie er selbst betont.764
Der damals bereits 76-jährige Künstler hatte seine Karriere als Buchillus-
trator begonnen und sich später auf die Herstellung von Urkundenblättern
spezialisiert.765 Er schuf insgesamt zwölf Einlegeblätter für Huldigungsad-
ressen, die in die Fideikommissbibliothek gelangt sind, hauptsächlich an-
lässlich der silbernen Hochzeit des Kaiserpaares (1879) und der Vermählung
des Kronprinzen (1881). Gegen Ende des Jahres 1898 hatte er außerdem
in der Fideikommissbibliothek angefragt, ob er die zum 50-jährigen Regie-
rungsjubiläum überreichten Adressen besichtigen könne.766
Die Ausführlichkeit, mit der ich alle diese Einzelheiten rund um die Hul-
digungsadressen in den Akten des Archivs der Fideikommissbibliothek be-
richtet habe, soll zeigen, wie vielfältig die gesellschaftlichen, ökonomischen
und kommunikativen Verflechtungen gewesen sind, die sich um diese eigen-
artigen Medien der rituellen Vergegenwärtigung der Monarchie in der zwei-
ten Hälfte des 19. Jahrhunderts gesponnen haben. Vieles davon entsprang,
wie wir gesehen haben, dem Interesse am Kunstgewerbe und seiner Förde-
rung sowie reproduktions- und drucktechnischen Neuerungen. Auch wenn
damit – vom inhaltlichen Standpunkt aus betrachtet – nur ein Nebenaspekt
der Objekte berührt wird, so war deswegen doch eine Situation geschaffen,
in der die Öffnung der Sammlung und deren publikumswirksame Präsen-
tation für die Fideikommissbibliothek sich gewissermaßen aufdrängten,
und zwar vorwiegend aus dreierlei Gründen: Sie besaß einen exklusiven
Bestand an Objekten, die offensichtlich ein gewisses öffentliches Interesse
beanspruchen konnten. Daraus folgten, zweitens, rasch Bestrebungen von
außerhalb der Sammlung, Huldigungsadressen für unterschiedliche For-
763 Dekorative Vorbilder. Farbige Meisterwerke aus alter und neuer Zeit (Stuttgart 1890–
1928).
764 Vgl. FKBA35147. Zitat fol. 2r.
765 Zu Karl Geiger (1822–1905) siehe Thieme-Becker, Bd. 13 (1920), 346. Sein Name ist bei der
Angabe der Signaturen von vier Adressen auf der Liste in FKBA28002 verzeichnet.
766 FKBA35195.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Titel
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Untertitel
- Metamorphosen einer Sammlung
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1073
- Kategorien
- Geschichte Chroniken