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KAISERLICHES INSTITUT UND
ERINNERUNGSRAUM710
bildet, die fast immer einen positiven und in den meisten Fällen auch rei-
bungslosen Vollzug garantierten (vgl. Abschnitt 2.1.3 und Abschnitt 2.2.2).
Schließlich war die Entscheidung, ob ein Werk aus der Fideikommissbib-
liothek entlehnt werden durfte, auch eine Frage seines Wertes. Dieses Pro-
blem betraf vor allem eine Kategorie von Sammlungsobjekten, über die seit
den 1880er Jahren zunehmend geforscht wurde und deren leihweise Über-
lassung entsprechend intensiv begehrt wurde: die Handschriften. Die drei
Präzedenzfälle unter der Direktion Beckers wurden bereits erwähnt. Bis zur
Jahrhundertwende dürfte es dann nur noch zweimal vorgekommen sein,
dass Codizes aus der Fideikommissbibliothek für Forschungszwecke verlie-
hen wurden.1022 1902 wurde jedoch eine Entscheidung mit Folgen getroffen.
Zu Beginn dieses Jahres berichtete das Präsidium der kaiserlichen Aka-
demie der Wissenschaften in Wien der Leitung der Fideikommissbiblio-
thek von einem durch die „Internationale Association der Akademien und
gelehrten Gesellschaften“ beschlossenen Abkommen über die Verleihung
von Handschriften, Archivalien und kostbaren Büchern und forderte sie
auf diesem beizutreten. Geregelt wurden dadurch Bestimmungen über die
Versicherung, die Versendung und die sorgfältige Aufbewahrung der zu
entlehnenden Schriftdokumente.1023 Dem Akt liegen zwei Konzepte eines
Antwortschreibens bei, eines aus der Feder Schnürers und eines von Karpf.
Im ersteren wird der Beitritt zum Abkommen erklärt lediglich mit dem Zu-
satz: „innerhalb jener Grenzen, welche der Bibliothek durch ihren privaten,
nichtöffentlichen Charakter gezogen sind“. Dieser Entwurf ist durchgestri-
chen und wurde von Karpf durch einen selbst formulierten Text ersetzt, der
die Einschränkungen präzisiert und im Grunde verschärft: Er erklärt sich
zur Annahme aller Bedingungen bereit für den Fall, dass die Entlehnung
durch die Fideikommissbibliothek erfolgen würde, möchte sich aber selbst
„wegen des privaten Charakters dieses kais. Institutes bei der Ausleihung
von Werken aus dem Besitz die Entscheidung in jedem einzelnen Fall vor-
behalten“.1024 Das entsprach eigentlich ziemlich genau der bisher geübten
Vorgehensweise. Betont werden muss aber, dass Karpf in einer so sensiblen
und wichtigen Angelegenheit nicht seine vorgesetzte Behörde, die General-
direktion der k. u. k. Familienfonde, informierte und deren Entscheidung be-
züglich der Beantwortung der Anfrage einholte.
Bis zum Jahr 1906, als die Periode der Leitung der Bibliothek durch Alois
Karpf endete, sind allerdings gar keine Entlehnungen von Handschriften
1022 FKBA34115, FKBA35045. Die Herausgabe der Handschrift ist im zweiten Fall nicht gesi-
chert, doch wahrscheinlich.
1023 FKBA36127, fol. 2r u. 3r.
1024 FKBA36127, fol. 4r.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Titel
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Untertitel
- Metamorphosen einer Sammlung
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1073
- Kategorien
- Geschichte Chroniken