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KAISERLICHES INSTITUT UND
ERINNERUNGSRAUM740
des Jahres 1910 bat dieser um Verleih einer Handschrift aus der Fideikom-
missbibliothek, die Lieder von Thomas von Kempen enthielt, an die Univer-
sitätsbibliothek Bonn, wo er sie für die Bearbeitung seiner Edition einsehen
wollte.1166
Dieser Codex mit der Bibliothekszahl FRANZ 7970, der vor allem geist-
liche Lieder in mittelniederländischer und lateinischer Sprache enthält, ist
eine der am häufigsten benutzten, erforschten und editierten Handschriften
der Fideikommissbibliothek.1167 Ihr Wert für die Forschung bestand in einer
Zusammenstellung mittelalterlicher geistlicher Lieder, die für verschie-
dene musikwissenschaftliche und philologische Forschungen und Editionen
herangezogen wurde. Jener Forscher, der die Handschrift gewissermaßen
entdeckt hatte, war der Jesuit und Musikhistoriker Guido Maria Dreves
(1854–1909), „der im Winter 1887 (Februar) geistliche Handschriften durch-
forschte, um die darin enthaltenen Hymnen zu exzerpieren.“1168 Achtzehn
Jahre später veröffentlichte er fünf Lieder aus dem Codex 7970 im 48. Band
seiner „Analecta Hymnica Medii Aevi“.1169 Drewes stand auch mit Pohl in
wissenschaftlichem Austausch und machte diesen in einem Schreiben vom
Februar 1903 auf die Handschrift der Fideikommissbibliothek aufmerksam
und teilte ihm Einzelheiten zu ihrem Inhalt mit.1170 Doch bereits 1887 war
ein anderer Forscher durch ihn von ihr in Kenntnis gesetzt worden: der
westfälische Priester und Musikwissenschaftler Wilhelm Bäumker (1842–
1905), der sich durch sein grundlegendes Werk „Das katholische deutsche
Kirchenlied in seinen Singweisen“ bereits einen Namen als Hymnologe ge-
macht hatte. Diesem gelang es durch Intervention des preußischen Kultus-
ministeriums und des k. u. k. Ministeriums des Äußeren innerhalb kurzer
Zeit zweimal hintereinander, die besagte Handschrift an seinen Wohnsitz
Niederkrüchten in Westfalen zu entlehnen (Juli bis Oktober 1887 und März
bis April 1888). Das Ergebnis seiner Forschungen war die Sammlung „Nie-
derländische geistliche Lieder nebst ihren Singweisen“, die 1888 im 4. Jahr-
gang der „Vierteljahresschrift für Musikwissenschaft“ veröffentlicht wur-
de.1171 Je einen Sonderdruck davon erhielten Direktor Josef von Zhishman
bzw. der Kaiser als Widmungsexemplar.1172
1166 FKBA39005, fol. 1r–v.
1167 Heute Wien, ÖNB, HAD, Cod. Ser. n. 12875; zur Handschrift siehe Bäumker, Lieder,
165–167, u. Menhardt, Verzeichnis, Bd. 3, 1538f.
1168 FKBA31097, fol. 1r.
1169 Guido Maria Dreves, Hymnographi latini. Lateinische Hymnendichter des Mittelalters,
Folge 1 (Analecta hymnica medii aevi 48, Leipzig 1905); vgl. FKBA39005, fol. 17r–v.
1170 FKBA39005, fol. 17r.
1171 Bäumker, Lieder.
1172 FKBA31097, fol. 15r–v.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Titel
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Untertitel
- Metamorphosen einer Sammlung
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1073
- Kategorien
- Geschichte Chroniken