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KAISERLICHES INSTITUT UND
ERINNERUNGSRAUM752
zeichnisse im gesamten mitteleuropäischen Raum erfassen; um es in abseh-
barer Zeit verwirklichen zu können, entschied man jedoch 1905 die „Arbeiten
auf die Sammlung und Edition der mittelalterlichen Kataloge und sonstigen
Bücherverzeichnisse jener Bibliotheken einzuschränken, welche auf dem Bo-
den des heutigen Österreich bestanden oder noch bestehen.“1209 1915 erschien
der erste Band zu Niederösterreich (einschließlich Wiens); mehr wurde von
Gottlieb selbst auch nicht mehr veröffentlicht. Das Rookloster Register wird
in dieser Publikation weder beschrieben noch erwähnt, sodass bezweifelt
werden darf, ob es für die Bearbeitung der Edition überhaupt relevant war.
Rein sachlich spricht eigentlich nichts dafür, denn Gottliebs Aufgabe bestand
ja nur darin, alte Kataloge von Bibliotheken „auf dem Boden des heutigen
Österreich“ herauszugeben. Die im Archiv der Fideikommissbibliothek er-
haltene Korrespondenz zu dieser Angelegenheit zeigt jedoch recht deutlich,
dass für Theodor Gottlieb noch andere Motive ausschlaggebend waren, die
Benutzung des Codex FRANZ 9373 durch andere Forscher zu blockieren: Der
persönliche Ehrgeiz des Gelehrten und die Konkurrenz unter Wissenschaft-
lern waren dafür offensichtlich maßgeblich gewesen. Er erkannte nämlich
aufgrund seiner bisherigen wissenschaftlichen Tätigkeit sofort die überra-
gende kulturgeschichtliche Bedeutung und Einzigartigkeit der Handschrift
und wollte sie zweifellos selbst in einer eigenständigen Arbeit vollständig pu-
blizieren. Das zeigen die folgenden Beobachtungen.
Von Schnürer dazu aufgefordert, verfasste Gottlieb am 12. Februar 1909
eine schriftliche Rechtfertigung der längerfristigen Entlehnung und Benut-
zung des Codex FRANZ 9373 durch ihn. Demnach wäre „die fragliche Hand-
schrift ein unentbehrliches Hilfsmittel für die Herstellung der dem Unter-
zeichneten von der kais. Akademie der Wissenschaften übertragenen Arbeit“
und zugleich „ein wesentliches und für den Unterzeichneten unentbehrliches
Hauptwerk“.1210 Von Schnürer wurden diese Gründe, die zugleich unscharf
formuliert und nach den obigen Darlegungen im Grunde unzutreffend wa-
ren, in leicht paraphrasierter Form der Generaldirektion mitgeteilt. Es ginge
demnach nicht an, „dem k. u. k. Kustos Gottlieb, der inmitten der bezügli-
chen Arbeiten steht und den besagten Codex voraussichtlich noch längere
Zeit benötigen dürfte, die Grundlage für seine Arbeit zu entziehen.“1211 Gott-
lieb hatte nämlich seine Absichten durchblicken lassen:
„Dass ein Bestandteil der kais. Sammlungen in seiner großen Bedeutung klar
gemacht wird, ist wohl an und für sich wünschenswert; das dabei Fachleute
1209 Gottlieb, Bibliothekskataloge, V.
1210 FKBA38081, fol. 5r u. 5v.
1211 FKBA38081, fol. 8r.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Titel
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Untertitel
- Metamorphosen einer Sammlung
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1073
- Kategorien
- Geschichte Chroniken