Seite - 759 - in Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918 - Metamorphosen einer Sammlung
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BIBLIOTHEK UND ÖFFENTLICHKEIT 759
werte Partituren besaß die Sammlung zu diesem Zeitpunkt aber doch. 1884
wurden die beiden Kantaten auf den Tod Josephs II. und die Krönung Le-
opolds II., die als erste größere Werke Ludwig van Beethovens gelten, wie-
derentdeckt, uraufgeführt und veröffentlicht. Relativ wenig bekannt ist,
dass die handschriftlichen Partituren kurz nach dieser Wiederentdeckung
in die Fideikommissbibliothek gelangten und diese sie deshalb als Quellen
für die Publikation zur Verfügung stellen konnte. Beleuchten wir kurz die
Umstände, wie es dazu kam.
Der Verbleib der beiden Partituren, die von Beethoven weder veröffent-
licht noch zur Aufführung gebracht worden waren, lässt sich bis in das
Jahr 1813 zurückverfolgen, als sie in Wien im Rahmen einer Verlassen-
schaft versteigert wurden. Damals erwarb sie anscheinend der Komponist
Johann Nepomuk Hummel. Sieben Jahrzehnte später, wohl Anfang des
Jahres 1884, tauchten die Manuskripte im Katalog eines Leipziger Anti-
quars auf, von dem sie der Wiener Kaufmann Armin Friedmann erwarb.
Eduard Hanslick publizierte am 13. Mai 1884 ein Feuilleton zu dem Fund
in der „Neuen Freien Presse“.1241 Der Käufer muss die Partituren danach
dem Kaiser als persönliches Geschenk unterbreitet haben, da sie sich unter
den von diesem „angenommenen“ und im Oktober des Jahres 1884 an die
Fideikommissbib
liothek abgegebenen Werken befanden.1242 Im November
wurde die Kantate auf den Tod Josephs II. mit kaiserlicher Genehmigung
durch die Gesellschaft der Musikfreunde uraufgeführt.1243 Dieses Konzert
erregte über Wien hinaus Aufsehen und lenkte die Aufmerksamkeit auf
das neu aufgefundene Werk Beethovens. Im Jänner und im Juli 1885 tra-
fen bereits Briefe in der Fideikommissbibliothek ein, in denen um Über-
lassung des Noten-Manuskriptes für weitere Aufführungen in Bonn und
Frankfurt am Main gebeten wurde.1244 Bibliotheksdirektor Becker, der die
Originalpartitur nicht versenden wollte, ließ dafür eine Abschrift anferti-
gen, deren korrekte Ausführung er persönlich überwachte.1245 Am 21. Juli
1885 meldete sich außerdem der Leipziger Verlag Breitkopf & Härtel bei
kunst in Österreich“ in zahlreichen Sammlungen durchgeführt wurden und zunächst
nicht sehr ergiebig verliefen, vgl. Adler, Vorgeschichte, 13–17.
1241 Zwei neu aufgefundene Cantaten von Beethoven. Neue Freie Presse, Nr. 7080 v.
13.05.1884, 1–2. Die Informationen zur Provenienzgeschichte stammen aus diesem Arti-
kel. Laut Hanslick gab der Leipziger Antiquar an, dass die beiden Werke aus dem Nach-
lass Hummels stammten.
1242 FKBA31026, fol. 7r. In der Liste der im Oktober 1884 eingelangten Werke sind die Manu-
skripte jedoch nicht erwähnt (vgl. FKBA30135).
1243 Die Presse, Nr. 335 v. 06.12.1884, Feuilleton, 1–3.
1244 FKBA31001, FKBA31023.
1245 FKBA31001, fol. 5r.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Titel
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Untertitel
- Metamorphosen einer Sammlung
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1073
- Kategorien
- Geschichte Chroniken