Seite - 784 - in Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918 - Metamorphosen einer Sammlung
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KAISERLICHES INSTITUT UND
ERINNERUNGSRAUM784
und dieses Motiv stand offensichtlich in engster Verbindung mit der Ausei-
nandersetzung mit der eigenen Geschichte, der sich die einzelnen Truppen-
körper ab der Mitte der 1850er Jahre widmeten.1307 Insgesamt haben 25 In-
fanterie- und 10 Kavallerie-Regimenter sowie 3 Jäger-Bataillone Anfragen
an die Fideikommissbibliothek gerichtet, wobei der zeitliche Rahmen von
1885 bis 1913 reicht.
Sehen wir uns die Einzelheiten etwas genauer an. Wie bereits angedeu-
tet, war den Regimentskommandos bis auf ganz wenige Ausnahmen immer
daran gelegen, an Bildnisse der ehemaligen Inhaber des jeweiligen Truppen-
körpers zu gelangen. Unter Regimentsinhabern –auch als Regimentschefs
bezeichnet – wurden jene Personen verstanden, die für die Ausrüstung
und Besoldung sorgten und nach denen die Regimenter benannt wurden.
In knapp einem Drittel der Fälle wurden zusätzlich die bisherigen Regi-
mentskommandanten und zweimal außerdem Maria-Theresien-Ordensrit-
ter gesammelt. Darüber hinaus kam es auch vor, dass ein Regiment Dar-
stellungen wichtiger Ereignisse aus seiner Geschichte (v. a. Schlachten oder
Gefechte) bzw. von Orten, an denen diese stattgefunden hatten, suchte.
Doch was waren die konkreten Zwecke dieser entfesselten Sammelleiden-
schaft? Aus den Hinweisen, die die Aktenkorrespondenzen diesbezüglich
enthalten, ergeben sich zwei generelle Schwerpunkte für die Nutzung des
Bildmaterials. Der eine ist die Illustration der jeweiligen gedruckten Regi-
mentsgeschichte.1308 Wie bereits erwähnt, erschienen Werke dieser Art ab
Mitte der 1850er Jahre. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges dürften
alle Truppenkörper der k. u. k. Armee ihre Chroniken veröffentlicht haben.
Die Fideikommissbibliothek besitzt sie anscheinend in geschlossener Voll-
ständigkeit, da die Regimenter Prachtausgaben ihrer „Geschichte“ stets dem
Kaiser überreichten.1309 Stichprobenartige Autopsien erbrachten jedoch das
Ergebnis, dass nur für einige wenige der weit über 200 Bände Illustrationen
nach Vorlagen aus der Fideikommissbibliothek angefertigt worden waren.
Bedeutender im vorliegenden Zusammenhang war jedoch der Umstand,
dass in vielen Regimentern Porträtsammlungen der Inhaber, mitunter auch
der Kommandanten und anderer verdienstvoller Männer angelegt wurden.
In einigen Fällen erfahren wir zudem, dass die Bildnisse die Wände der Of-
1307 Vgl. Becker, Sammlungen, Bd. 1, 512–515.
1308 FKBA32105, FKBA33156, FKBA34025, FKBA34144, FKBA34173, FKBA36089,
FKBA41027.
1309 Vgl. Anm. 1307. Die Regimentschroniken sind aufgestellt in Saal XII (Goethesaal) in den
Kästen 28 (obere zwei Fächer), 29 (ganzer Kasten) und 30 (unterstes Fach). Der Rittmeis-
ter Gustav Amon von Treuenfest, der allein sieben solcher Regimentschroniken verfasst
hatte, ließ sich deren Annahme durch den Kaiser von Bibliotheksdirektor Becker bestäti-
gen (FKBA30073).
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Titel
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Untertitel
- Metamorphosen einer Sammlung
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1073
- Kategorien
- Geschichte Chroniken