Seite - 802 - in Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918 - Metamorphosen einer Sammlung
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KAISERLICHES INSTITUT UND
ERINNERUNGSRAUM802
Maler Louis- Edouard Rioult (1790–1855) stammt, ein gemeinsames Vor-
bild: ein Bild von Quentin Massys (1465–1530), das eine physiognomisch
entstellte Frau darstellt und heute in der National Gallery in London auf-
bewahrt wird.1385 Dieses war jedoch keineswegs ein Porträt der Margarete
Maultasch und wurde anscheinend erst durch die Inschrift auf dem Stich
von Demarteau mit ihr identifiziert. Insofern muss dieser als die Quelle
der falschen Benennung und der daraus resultierenden Verwirrung be-
trachtet werden. Als interessantes Detail sind hier noch die Vermutungen
des preußischen Legationsrates von Jäger zu ergänzen, der der Fideikom-
missbibliothek im März 1886 mehrere Porträts geschenkt hatte und in die
Erkundungen über die „Maultasch-Karikatur“ eingeweiht war: Er äußerte
sich kritisch über die Authentizität der Gesichtszüge und hatte zudem die
richtige Intuition, als er in Leonardo da Vinci den ursprünglichen Schöpfer
des Zerrbildes sah.1386 Tatsächlich beruht nämlich das Bild von Massys auf
einer Rötelzeichnung des Italieners.1387
Besser ist die Porträtforschung in der Fideikommissbibliothek jedoch
dann fassbar, wenn sie nicht aus eigenem Antrieb erfolgte, sondern durch
entsprechende Anfragen von Außenstehenden motiviert war. Zweiundvier-
zig solcher Fälle sind in den Akten des hauseigenen Archives zwischen 1886
und 1914 dokumentiert. Auch Schnürer spricht in seiner im April 1906 ver-
fassten Denkschrift zur „Neusystemisierung des Beamtenstatus“ davon,
dass „für den Beamten der Porträtsammlung sehr wesentlich jene Seite sei-
ner Tätigkeit in Betracht [kommt], die das Bestimmen unbekannter Porträts
zum Gegenstand hat.“ Er fügt hinzu, dass, „hierin dem großen Publi
kum –
dem Sammler und kunstsinnigen Laien sowohl wie dem Forscher von Be-
ruf – die Schätze der Sammlung zu eröffnen, […] eine seiner wesentlichen
Pflichten“ wäre.1388 Damit ist aber nun offensichtlich nicht gemeint, dass die
Porträtsammlung erschlossen und publiziert werden sollte, damit sie vom
„Publikum“ unmittelbar genutzt werden könnte, sondern dass sich Außen-
stehende mit Anfragen zu Bildnissen an die Fideikommissbibliothek wenden
konnten, die dann unter Zuhilfenahme der eigenen Bestände, eines Handap-
parates an kunstgeschichtlicher, biografischer und genealogischer Literatur
und wohl auch verschiedener Zettelkarteien bearbeitet wurden. Das Aus-
maß dieser Tätigkeiten ist jedoch schwer einzuschätzen. Aufgrund der Ak-
1385 Hörmann-Weingartner, Bild und Missbild, 93–95.
1386 FKBA31047, fol. 3v–4r.
1387 Heute in den Sammlungen von Schloss Windsor, vgl. Hörmann-Weingartner, Bild und
Missbild, 93.
1388 Wien, ÖStA, HHStA, GdPFF, R. 5, Kt. 537, Z. 4681 ex. 1906: Denkschrift Schnürers zur
„Neusystemisierung des Beamtenstatus“ v. 04.04.1906, [pag. 7–8].
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Titel
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Untertitel
- Metamorphosen einer Sammlung
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1073
- Kategorien
- Geschichte Chroniken