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KAISERLICHES INSTITUT UND
ERINNERUNGSRAUM808
tigte Jureczek die Identität der Dargestellten als „zweifellos“.1408 Wenn es
sich bei der „Copie“ wirklich um eine Nachzeichnung handelte und nicht um
eine Fotografie, dann muss das Bildnis wohl Merkmale besessen haben, die
über rein physiognomische Details hinausgingen und dennoch für die Iden-
tifikation aussagekräftig waren. Es ist deshalb anzunehmen, dass sich das
Aquarell an grafischen Porträts der Herzogin von Angoulême orientierte,
wenn es nicht sogar ein bestimmtes Vorbild kopierte.
3. Genese einer Habsburg-lothringischen Familiensammlung
Neben der zunehmenden Öffnung der Fideikommissbibliothek für den Ge-
brauch der Allgemeinheit lässt sich ein zweiter wesentlicher Transforma-
tionsprozess in der Zeit zwischen dem Amtsantritt von Moritz Alois von
Becker (1870) und dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges beobachten: Im
Laufe dieser Periode entwickelte und verfestigte sich die Vorstellung, dass
die Bibliothek die eigentliche Familien-Sammlung des Hauses Habsburg-
Loth
ringen wäre, dass ihr Alleinstellungsmerkmal also in ihrem Bezug zur
Herrscherdynastie begründet war. Ihre Grundlage hatte diese Auffassung
natürlich in der fideikommissarischen Verfügung ihres Gründers über die
Sammlung; daraus ergaben sich nunmehr aber neuartige Überlegungen im
Hinblick auf die zukünftige Ausgestaltung und Nutzung der Fideikommiss-
bibliothek. Zweifellos waren sie auch Ausdruck eines grundsätzlichen gesell-
schaftlichen Diskurses, in dem der Umgang mit historischen Sammlungs-
beständen und ihre Erschließung für die Allgemeinheit verhandelt wurden.
In der Fideikommissbibliothek liegen die Symptome dieses Prozesses in der
Festlegung von Sammlungsrichtlinien und in dem Projekt der Errichtung
eines Habsburgermuseums, aber auch in der beginnenden Reflexion ihrer
Geschichte und Entstehung. Zugleich gelangten nach der Einantwortung
des Fideikommisses an Kaiser Franz Joseph im Jahr 1878 in regelmäßigen
Abständen große Bestände teils persönlicher Objekte oder autographischer
Werke aus dem Besitz von Habsburgern in die Sammlung. Eine Reihe dieser
Ego-Dokumente – vor allem solche, die sich auf Franz Joseph selbst bezo-
gen – sollten nach der Wende zum 20. Jahrhundert das öffentliche Inter-
esse erregen. Sie waren es, ebenso wie die zahlreichen „Habsburgica“, um
die die Fideikommissbibliothek gegen Ende des 19. Jahrhunderts bereichert
wurde, die die Konstruktion des Schwerpunktes „Habsburger-Sammlung“
motivierten. Diese Tendenz war also nicht im Kernbestand der Fideikom-
missbibliothek, der Privatbibliothek Kaiser Franz’ II./I., begründet, sondern
1408 FKBA36224.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Titel
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Untertitel
- Metamorphosen einer Sammlung
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1073
- Kategorien
- Geschichte Chroniken