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KAISERLICHES INSTITUT UND
ERINNERUNGSRAUM838
der Kampfplatz, wo die Opposition sich mit dem Ministerium maß. Setzte die
Opposition einen Tadels- oder Mistrauensparagraphen in der A. durch, so war
das Ministerium zum Rückzug gezwungen.“1495
Die Verbindung zu Frankreich und zur Julimonarchie ist insofern von Be-
deutung, da die Revolutionen der Jahre 1848/49 von dort mit dem Sturz eben
dieses Regimes ihren Ausgang genommen haben.1496 Wie wir noch sehen
werden, ist es gerade die damit auch im Kaisertum Österreich eingeleitete
politische Umwälzung, die mit dem Aufkommen der Huldigungsadressen
ebendort in engstem Zusammenhang steht. Hervorzuheben aus dem Arti-
kel des Jahres 1864 sind schließlich noch die Angabe, dass der preußische
Landtag 1863 versucht habe, Bismarcks Ministerium mit einer Adresse zu
stürzen, und die Aussage: „In politisch bewegten Zeiten kommen auch A. von
den außerparlamentarischen Kreisen, besonders von Vereinen und Volks-
versammlungen, theils an die Staatsgewalt, theils an die Landesvertretung,
häufig vor, worin entweder die Zustimmung zu gewissen Acten derselben
oder auch das Gegentheil kundgegeben wird.“1497
Zusammenfassend kann man festhalten, dass die Adresse sowohl ein
Medium der politischen Meinungsäußerung ist, in dem Parteinahme und
Gegnerschaft ausgedrückt werden können, als auch ein Instrument der po-
litischen Einflussnahme. Üblicherweise steht sie im Gebrauch der Volksver-
tretungen auf staatlicher Ebene (Parlamente, Landtage), doch können Ad-
ressen auch von kleineren Zusammenschlüssen (Gemeinden etc.) verfasst
werden. Ursprünglich aus England kommend, verbreitete sich das Phäno-
men nach dem Wiener Kongress in Europa. Dabei scheinen Adressen zu-
nächst in Frankreich und mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung auch im
deutschsprachigen Raum politische Bedeutung gewonnen zu haben. Da das
Kaisertum Österreich bis zum Jahr 1848 kein konstitutioneller Staat war
und keine modernen Volksvertretungen besaß, konnten Adressen – wenigs-
ten in dem oben referierten Sinn – hier zunächst keine Rolle spielen. Das
änderte sich mit der Revolution 1848/49 anscheinend grundsätzlich.
Um das zu belegen, kann eine Reihe von Vorfällen angeführt werden, bei
denen Adressen im Kontext der Revolution als politisches Instrument einge-
setzt wurden. Sie teilen sich in zwei Gruppen mit gegensätzlicher Tendenz.
Der eine Fall ist die Übergabe einer Huldigungsadresse an den neuen Kai-
ser. Eine solche Loyalitätsbekundung ist am letzten Tag des Jahres 1848 vor
1495 Ebenda.
1496 Rumpler, Chance, 261–323; Götz von Olenhusen, 1848/49; Werner, Revolution von
1848/49.
1497 Ebenda.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Titel
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Untertitel
- Metamorphosen einer Sammlung
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1073
- Kategorien
- Geschichte Chroniken