Seite - 839 - in Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918 - Metamorphosen einer Sammlung
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GENESE EINER HABSBURG-LOTHRINGISCHEN FAMILIENSAMMLUNG 839
dem in Olmütz weilenden Monarchen durch eine Deputation der Deutschen
Prags vollzogen worden, wobei gleichzeitig weitere „gleichlautende […] 47
Adressen der größten Städte Deutsch-Böhmens von 26 der deutschen Vereine
Böhmens“ überbracht worden sind.1498 Anzumerken ist in diesem Zusammen-
hang, dass mit der Übergabe und Annahme der Adresse durch den Kaiser an-
scheinend auch der Anspruch auf Repräsentationsrechte verbunden wurde.
Ein Jahr später verweist nämlich das Stadtverordnetenkollegium in Prag an-
lässlich von Kompetenzstreitigkeiten darauf, „daß es das Deputationsrecht
unangefochten mehrmals ausgeübt, wie dies aus der bei Uebergabe der Hul-
digungsadresse in Olmütz erfolgten kaiserlichen Antwort zu ersehen sei, daß
wenn das Stadtverordnetenkollegium die Stadt nicht repräsentiere, die Frage
entsteht, wer es [sic!] überhaupt repräsentiere“.1499 Ein Beispiel dafür, wie
versucht worden ist, die politische Entwicklung mittels Huldigungsadressen
zu beeinflussen, bietet der Vorfall, dass Fürst Windischgrätz „die vom tolnaer
Comitat eingesendete Huldigungsadresse, sowie die mehrer[er] anderer Cor-
porationen zurückgewiesen [hat], weil die in ihr enthaltene Klausel wegen
Hoffnung, daß der König die ungarische Verfassung aufrecht erhalten werde,
obschon er sie nicht beschworen habe, als anstößig befunden worden“ ist.1500
Huldigungsadressen hat der Kaiser schließlich auch bei seiner Galizienreise
1851 in den Städten Krakau und Lemberg empfangen.1501
Die politische Bedeutung der Objekte und des Aktes der Übergabe wiegt
nun umso schwerer durch den Umstand, dass nicht allein Huldigungsadres-
sen an den neuen Kaiser, sondern auch an die führenden Personen und In-
stitutionen der Revolution von 1848/49 verfasst wurden. In Kaschau wurde
etwa im April 1849 eine Huldigungsadresse an die am 27. April 1849 aus-
gerufene Republik gerichtet und zugleich wurden „die Bildnisse der Habs-
burger […] aus dem Rathsaal entfernt“ und „die frühere Huldigung als von
vornherein ungiltig“ erklärt.1502 Wichtiger ist jedoch, dass zahlreiche Per-
sonen, die den Aufstand in Ungarn auf lokaler Ebene organisierten, Hul-
digungsadressen an die Revolutionsregierung oder an Kossuth persönlich
verfassten bzw. auch versuchten, die Bevölkerung der Region zu derartigen
Loyalitätsbekundungen zu bewegen. Solche Akte sind in den Veröffentli-
chungen der als Hochverräter überführten Aufständischen und der ihnen
vorgeworfenen Delikte in der Wiener Zeitung dokumentiert.1503
1498 Deutsche allgemeine Zeitung, Nr. 4 v. 04.01.1849, 37.
1499 Die Presse, 3. Jahrgang, Nr. 18 v. 20.01.1850, [pag. 3].
1500 Deutsche allgemeine Zeitung, Nr. 62 v. 03.03.1849.
1501 Wiener Zeitung, Nr. 245 v. 14.10.1851, 2978, u. Nr. 257 v. 38.10.1861, 3117.
1502 Deutsche allgemeine Zeitung, Nr. 148 v. 28.05.1849, 1659.
1503 Wiener Zeitung, Nr. 72 v. 24.03.1850, 913, Nr. 243 v. 11.10.1851, 2950f. (Nr. 14 u. 20),
Nr. 115 v. 13.05.1852, 1319 (Nr. 5), Nr. 161 v. 16.07.1852, Abendblatt, 641.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Titel
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Untertitel
- Metamorphosen einer Sammlung
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1073
- Kategorien
- Geschichte Chroniken