Seite - 873 - in Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918 - Metamorphosen einer Sammlung
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GENESE EINER HABSBURG-LOTHRINGISCHEN FAMILIENSAMMLUNG 873
Generaldirektor unterbreitet haben, denn dieser leitete sie am 4. März 1899
an den Oberstkämmerer zur Begutachtung weiter.1643
Worin bestand also der Plan für das Habsburgermuseum aufgrund dieses
Memorandums? Vorab ist festzuhalten, dass es sich nur bedingt um ein Pro-
gramm für den Inhalt eines Habsburgermuseums und schon gar nicht um das
Konzept zu seiner konkreten Umsetzung handelt. Das Schnürer’sche Memoire
ist vielmehr eine weitschweifige ideologische Begründung der Notwendigkeit
eines solchen Museums im damaligen politisch-sozialen Kontext einerseits
und die Legitimierung der Verwendung der Fideikommissbibliothek als mate-
rielle Grundlage für diesen Zweck andererseits. Gedanklicher Ausgangspunkt
ist das nur wenige Wochen zurückliegende fünfzigjährige Regierungsjubiläum
des Kaisers, bei dem laut Schnürer der technische und wissenschaftliche
Fortschritt in dessen Regierungszeit „der Mitwelt lebendig zum Bewußtsein
gebracht“ worden ist.1644 Dadurch würde „unwillkürlich der Blick rückwärts
über die Grenzen des halben Säculums hinaus“ zu den „langen Jahrhunderten
[…], die das segensreiche Walten der Habsburger und Habsburg-Lothringer
in den Erblanden gesehen haben“, gelenkt werden.1645 Es ging also darum,
die Erfolgsgeschichte des Reiches unter dem wohltuenden Einfluss der Re-
gentschaft der Dynastie medial zu konstruieren. Schnürer bezeichnet dies de-
zidiert als „eine Aufgabe“. Institutionen, die diese Aufgabe im Allgemeinen
erfüllten, nämlich „Centralstellen für die Geschichte einzelner Herrscher
und Regentenhäuser“, gäbe es laut Schnürer bereits in mehreren Ländern.
Konkret nennt er als „unerreichte Muster“ Schloss Rosenborg in Kopenhagen
und das Hohenzollern-Museum in Schloss Monbijou in Berlin.1646 Im ersteren
war bereits 1838 ein Museum mit königlichen Sammlungen eröffnet worden.
In Schloss Monbijou hatte man 1868 zunächst eine temporäre „Ausstellung
historisch merkwürdiger Gegenstände in Beziehung zur Geschichte Branden-
burg-Preußens und seines Herrscherhauses veranstaltet“. Unter deren Ein-
fluss entstand wenig später der Plan zu einem dauerhaften Museum der Ho-
henzollern, das 1877 am gleichen Ort eröffnet wurde.1647 Da Schnürer immer
Habsburgermuseum v. 01.1899; Wien, ÖStA, HHStA, OKäA, Akten Serie B (1746–1920),
Kt. 749, R. 53, Z. 513 ex. 1899 (Abschrift).
1643 Wien, ÖStA, HHStA, OKäA, Akten Serie B (1746–1920), Kt. 749, R. 53, Z. 513 ex. 1899:
Note Cherteks an Oberstkämmerer Hugo Graf Abensberg-Traun v. 04.03.1899.
1644 Memoire Schnürers zum Habsburgermuseum (zit. Anm. 1642), [fol. 1r]. Er führt an: „die
großartige Nutzbarmachung der Naturkräfte“, „die Vervollkommnung des technischen
Könnens“, den „geistigen Fortschritt“, die „Regung des modernen Lebens“ (ebenda).
1645 Memoire Schnürers zum Habsburgermuseum (zit. Anm. 1642), [fol. 1v].
1646 Ebenda, [fol. 1v–2r].
1647 Lindenberg, Hohenzollern-Museum, 5f.; Kemper, Monbijou, 86–115; Luh, Hohenzol-
lern-Museum, 201f.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Titel
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Untertitel
- Metamorphosen einer Sammlung
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1073
- Kategorien
- Geschichte Chroniken