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KAISERLICHES INSTITUT UND
ERINNERUNGSRAUM890
Wie oft und wann Schnürer Berlin bzw. Kopenhagen besuchte, lässt sich
heute nicht mehr feststellen; diese Initiativen zeigen jedoch erneut, mit wel-
cher Entschlossenheit Schnürer sein Projekt verfolgte und welche Opfer er
dafür erbrachte.
Die Denkschrift, die aus der Berlinreise hervorging, ist kein Erfahrungs-
bericht, sondern ein erneuter Versuch der programmatischen Rechtferti-
gung eines Habsburgermuseums.1703 Wieder betont Schnürer, wie sehr es
im Habsburgerreich mehr als in Deutschland nötig sei, die Loyalität zur
Dynastie zu fördern, da hier „das Band der nationalen Übereinstimmung
fehlt, das dort die Massen zusammenhält“. Dies sei zu erreichen „durch die
Betonung ihrer sechshundertjährigen Thätigkeit auf allen Gebieten des
Lebens, durch Mittheilungen von Thatsachen aus dem Leben und Wirken
ihrer großen, welthistorischen Persönlichkeiten, die vielfach noch der ge-
rechten geschichtlichen Würdigung entbehren, durch Versicherung ihrer
Verdienste um die materielle und intellectuelle Hebung der Völker, die unter
ihrem Scepter wohnen“. Laut Schnürer sei die mangelnde Anerkennung der
Leistungen der Dynastie protestantischen deutschen Geschichtsschreibern
zuzuschreiben, die „die von habsburgischen Kaisern ausgegangene Gegen-
reformation als geisttödtend und depravierend hinzustellen liebten und so
die Regenten aus habsburgischem Hause zu Feinden des wissenschaftlichen
und künstlerischen Lebens stempelten“. Diese vorherrschende Auslegung
der Geschichte aber würde nun „von den Feinden Österreichs und der Dy-
nastie, dank der Ausbreitung der Presse und einer wüthenden Agitation […]
zum unermeßlichen Schaden der Wahrheit und der guten Sache mit immer
wiederkehrenden Anschuldigungen im Interesse einer dynastiefeindlichen
Clique ausgenutzt werden.“ Schnürer sah „sein“ Habsburgermuseum als
„einen Centralpunkt […], von dem aus eine lebhaftere Bethätigung dynasti-
scher Geschichte angeregt, [und als] ein Arsenal, aus dem die Waffe zur Ver-
theidigung gegen antihabsburgische Angriffe geliefert werden könnte“.1704
An dieser Stelle brachte er eine neue Idee ins Spiel, „einen Accord Zukunfts-
musik“, wie er sich selbst ausdrückt: Durch die zum Habsburgermuseum
transformierte Fideikommissbibliothek sollte ein Habsburgerjahrbuch her-
ausgegeben werden, nach dem Vorbild des seit 1897 in Berlin erscheinenden,
analogen Periodikums, dass sich dem Haus Hohenzollern widmete.1705 Doch
sollte es sich nicht – wie bei diesem – um ein teures „Prachtwerk“ handeln,
1703 Wien, ÖStA, HHStA, GdPFF, S.R., Kt. 17, 2, Z. 3294 ex. 1899: Denkschrift Schnürers vom
09.12.1901.
1704 Ebenda, [pag. 3–5].
1705 Hohenzollern-Jahrbuch. Forschungen und Abbildungen zur Geschichte der Hohenzollern
in Brandenburg-Preußen. Hg. von Paul Seidel. Berlin-Leipzig 1.1897–20.1916
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Titel
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Untertitel
- Metamorphosen einer Sammlung
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1073
- Kategorien
- Geschichte Chroniken