Seite - 918 - in Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918 - Metamorphosen einer Sammlung
Bild der Seite - 918 -
Text der Seite - 918 -
KAISERLICHES INSTITUT UND
ERINNERUNGSRAUM918
ßig‘“.1795 Schnürer muss geahnt haben, dass dies Probleme nach sich ziehen
würde, denn er widmete der Rechtfertigung dieser Veröffentlichung einen
ausführlichen Kommentar in seinem Bericht an den Generaldirektor. Al-
lein der folgende Satz, der nachträglich aus dem Konzept gestrichen wurde,
zeugt von seinen Skrupeln in dieser Angelegenheit: „Für den Augenblick
könnte es fast erscheinen, als würde durch die Veröffentlichung solcher Zen-
suren die schuldige Ehrfurcht vor dem Monarchen verletzt.“ Um die Veröf-
fentlichung zu legitimieren, wies Schnürer darauf hin, dass die Kenntnis der
negativen Kommentare die Glaubwürdigkeit lobender Worte erhöhen würde
und dass dadurch die Qualität und das Niveau der Erziehung des Erzher-
zogs insgesamt überzeugender zum Ausdruck gebracht wären: „durchaus
nicht nach dem Schema etwa einer ‚Prinzenerziehung‘, wie sie in Witzblät-
tern exemplifiziert zu werden pflegt“.1796 Generaldirektor Chertek ordnete
jedoch an, „daß die ausgewählten Klassifikationsnoten aus den Schulheften
Sr. Majestät nicht zu publizieren seien“. Dies war jedoch nicht mehr möglich,
„da sich die ganze bereits fertig gedruckte Auflage […] beim Buchbinder be-
finde u. die Ausgabe in den nächsten Stunden zu gewärtigen sei“. D’Albon
sah sich nun genötigt, persönlich bei Chertek vorzusprechen, um ihn zu be-
schwichtigen, und auch Schnürer beeilte sich, noch einmal anzufügen, dass
„eine Möglichkeit, daß daran irgendwie Anstoß genommen werden könne,
absolut ausgeschlossen sei“.1797
Diese Erfahrung bei der Veröffentlichung von einigen Schularbeiten des
Kaisers durch Eugen D’Albon war aller Wahrscheinlichkeit nach die Ursa-
che dafür, dass kurze Zeit später zwei ähnliche Unternehmungen von der
Generaldirektion nicht bewilligt wurden, deren Initiative von Schnürer bzw.
von dessen intellektuellen Umfeld ausging. In einem illustrierten Buch über
„Kaiser Franz Joseph als Jäger“ sollte der von D’Albon veröffentlichte Auf-
satz, „Die erste Gamsjagd“, als Faksimile reproduziert werden; weiters sollte
„eine Anzahl (24) Briefe der Erzherzogin, früheren Kaiserin Marie Louise,
die in der FKB aufbewahrt werden“, in einem Artikel von Hanny Brentano
in der „Deutschen Rundschau“ abgedruckt werden. Schnürer, der in seinem
Bericht den Umstand verschwieg, dass er selbst der Autor des zuerst ge-
nannten Werkes war, berief sich bei seiner Argumentation zur Unterstüt-
zung des Vorhabens mehrmals darauf, dass der gewünschte Text bereits pu-
bliziert worden sei. Mit dem Abdruck als Faksimile würden keine wesentlich
neuen Einzelheiten in die Öffentlichkeit dringen, denn „die von dem Leh-
rer auf der ersten Seite mit roter Tinte hineinkorrigierten Worte (die aber
1795 D’Albon, Kaiser, 25.
1796 FKBA38143, fol. 2v.
1797 FKBA38143, fol. 4r.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Titel
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Untertitel
- Metamorphosen einer Sammlung
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1073
- Kategorien
- Geschichte Chroniken