Seite - 920 - in Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918 - Metamorphosen einer Sammlung
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KAISERLICHES INSTITUT UND
ERINNERUNGSRAUM920
eigenen Bibliothekar, ein abgeschlossenes und von anderen Bereichen des
herrscherlichen Appartements abgetrenntes Raumgefüge sowie eine fixe Do-
tation zugesprochen erhielt. Mit dem Entschluss der Errichtung eines Fidei-
kommisses und dessen legistischer und organisatorischer Umsetzung in den
1840er und 1850er Jahren waren die Voraussetzungen für die Sicherung des
Bestandes und die institutionelle Weiterentwicklung gegeben. Die konkrete
Marschroute war damit allerdings noch keineswegs vorgegeben und wahr-
scheinlich konnte damals auch niemand voraussehen, in welche Richtung
sich die Sammlung konkret entwickeln würde. Die wesentlichste Ursache
dafür lag wohl in der Diskrepanz zwischen Umfang und Inhalt der Samm-
lung einerseits und der Bedeutungszuschreibung bzw. der Zweckwidmung
andererseits, die sich aus der Erklärung zum Fideikommiss zunächst erga-
ben. Demnach sollte die Fideikommissbibliothek als Studienbibliothek für
die Erziehung des Nachwuchses im Kaiserhaus dienen und als Bücherrepo-
sitorium für die Dynastie generell. Diese Nutzung gab es auch nachweislich;
dokumentiert ist sie für die ersten dreißig Jahre nach dem Tod des Biblio-
theksgründers, doch ist nicht ausgeschlossen, dass auch noch in späteren
Jahren das eine oder andere Buch von Mitgliedern der kaiserlichen Familie
entlehnt wurde. Dennoch ist es wohl kaum eine Übertreibung, wenn man
behauptet, dass der Umfang, der Wert und der Anspruch der Fideikommiss-
bibliothek mit dieser Art von Nutzung in keinem angemessenen Verhältnis
stand. Diese Diskrepanz musste früher oder später zur Erschließung von
neuen Möglichkeiten ihrer Nutzung führen.
Die beiden Ereignisse, die den Prozess der Weiterentwicklung der Samm-
lung einleiten, umschließen eine knapp zehnjährige Periode in den 1870er
Jahren und wurden ausführlich im Beitrag von Thomas Huber-Frischeis in
diesem Band gewürdigt: die Bestellung von Moritz Alois von Becker zum Bi-
bliotheksdirektor Ende 1869 und die Einantwortung des Fideikommisses an
Kaiser Franz Joseph im Jahr 1878, die schließlich die formale „Gründung“
der „k. u. k. Familien-Fideikommissbibliothek“ zur Folge hatte. Mit der Be-
rufung Beckers wurden zahlreiche organisatorische Maßnahmen eingeleitet,
die die Erweiterung der Bestände, deren Katalogisierung, die Lösung des
Problems der Unterbringung und schließlich die (wenn auch eingeschränkte)
Zugänglichmachung der Fideikommissbibliothek für die Öffentlichkeit be-
trafen. Mit der Übergabe der Inhaberschaft an den regierenden Kaiser stand
nun endlich auch jene Person offiziell an der Spitze der die Fideikommissbi-
bliothek betreffenden hierarchischen Struktur, die bereits seit fast dreißig
Jahren im Hintergrund für ihre Geschicke verantwortlich zeichnete. Damit
waren erstmals Rahmenbedingungen gegeben, die die Weiterentwicklung
der Sammlung zuließen. Franz Joseph war sicher weder ein großer Bücher-
freund noch ein großer Sammler, doch war er – aufgrund einer Mischung
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Titel
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Untertitel
- Metamorphosen einer Sammlung
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1073
- Kategorien
- Geschichte Chroniken