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ABSCHLIESSENDE BEMERKUNGEN 921
aus Pflichtbewusstsein und intuitivem Verständnis für die Notwendigkeiten
kultureller Belange – bereit, Voraussetzungen für das weitere Gedeihen der
Fideikommissbibliothek zu schaffen.
Im Hinblick auf das Thema „Institutionalisierung“ ist weiters auf die
zunehmende Anpassung der Fideikommissbibliothek an den Beamtenap-
parat der Hof- und Staatsbehörden hinzuweisen, die zugleich eine immer
stärkere kommunikative Verflechtung mit diesem System nach sich zog. Vor
allem mit den Kulturinstitutionen stand die Fideikommissbibliothek in re-
gem Austausch. Diese Entwicklung ging einher mit der Distanzierung der
Sammlung von ihrem kaiserlichen Besitzer: Hatte Becker noch unmittelba-
ren Zugang zum Monarchen und konnte diesen in wichtigen Anliegen per-
sönlich kontaktieren, so war dies bei späteren Bibliotheksleitern hingegen
kaum noch der Fall. (Zhishman durfte den Kaiser vor Eröffnung der samm-
lungsinternen Ausstellung zu Beginn des Jahres 1893 noch einmal in den
Räumlichkeiten der Fideikommissbibliothek zwecks Begutachtung empfan-
gen.) Beckers unmittelbarer „Draht“ zum Monarchen war noch so etwas wie
ein Nachklang der ursprünglichen Ausrichtung der Bibliothek als private
Sammlung des Kaisers Franz, der die Angelegenheiten der Bibliothek per-
sönlich kontrollierte und dabei unmittelbar mit dem Bibliothekar kommuni-
zierte. Diese patriarchalische Organisationsstruktur hatte sich jedoch über-
lebt und die Zukunft der Fideikommissbibliothek war die eines „kaiserlichen
Institutes“ neben den zahlreichen anderen, die aus der jahrhundertelangen
habsburgischen Sammeltätigkeit hervorgegangenen waren. Denn sowohl
diese Etikettierung ist in zeitgenössischen Quellen belegt als auch der Ver-
gleich mit anderen kaiserlichen Kulturinstitutionen wie etwa den Hofmu-
seen, der Albertina oder der Hofbibliothek.
Einen wichtigen Schritt für die Förderung der Institutionalisierung voll-
zog erneut Franz Joseph selbst, als er 1886 eine zentrale Behörde für die
Verwaltung des Habsburg-lothringischen Familien- und Privatfonds grün-
dete, der auch die Fideikommissbibliothek unterstellt war. Wie sich aus
den Untersuchungen des vorliegenden Beitrags ergeben hat, war es diese
„Generaldirektion der Allerhöchsten Familienfonde“, die fortan die Ent-
scheidungsbefugnis über alle Angelegenheiten der Fideikommissbibliothek
innehatte bzw. an sich zog, und zwar vornehmlich unter der Leitung von
Emil von Chertek, der 1892 zum Generaldirektor avancierte. Verschiedene,
auf den ersten Blick unbedeutend erscheinende Entwicklungen gingen da-
mit einher. Zunächst die Sistierung des Postens des Bibliotheksdirektors,
wodurch die Leitungsfunktion der Sammlung in weitaus stärkere Abhängig-
keit von der Generaldirektion gestellt wurde. Denn sowohl Becker als auch
Zhishman hatten eine bei weitem souveränere Position inne als nachmals
Karpf und danach selbst noch Schnürer. Für sie war die Generaldirektion
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Titel
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Untertitel
- Metamorphosen einer Sammlung
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1073
- Kategorien
- Geschichte Chroniken