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ABSCHLIESSENDE BEMERKUNGEN 925
mit ihnen in konstruktiver Weise wird schließlich zur Routine. Entscheiden-
den Einfluss hatten darauf die Bibliotheksleiter, wie die Untersuchungen in
diesem Beitrag auf vielfältige Weise belegen. Die ihnen vorgesetzte Gene-
raldirektion des Allerhöchsten Familienfonds und der Kaiser trugen inso-
fern auch zur Öffnung der Sammlung bei, als sie dieser zumindest nicht oder
kaum einschränkend entgegenwirkten.
In dem Maß, in dem sich die Nutzung der Fideikommissbibliothek vom
Herrscherhaus auf die Öffentlichkeit verlagert, entwickelt sich gleichwohl
eine Art ideelle Bindung der Sammlung an die Dynastie: Sie wird gewisser-
maßen zu deren „Gedächtnisort“, und zwar in der modernen, der musealen
Form. Es ist nicht ganz leicht zu erklären, was das konkret bedeutet bzw.
wie die Ergebnisse dieser Untersuchung damit zusammenhängen. Grund-
sätzlich sind dabei zwei aufeinander bezogene Phänomene zu beobachten.
Zum einen wurde die Fideikommissbibliothek tatsächlich zu einem Repo-
sitorium von Werken und Gegenständen, die ein „mediales Substrat“ für
die Konstruktionen eines kulturellen Gedächtnisses der Dynastie und der
Habsburgermonarchie abgeben konnten. Diese Entwicklung folgte keines-
wegs einem vorgefassten Plan, wenngleich gegen Ende des Jahrhunderts
die Erwerbungsstrategie mit Schnürers „Entwurf eines Regulatives für
den Ankauf von Büchern und Porträten“ in diesem Sinne festgeschrieben
wurde. Sie war vielmehr das Ergebnis einer inneren Logik, die die Fidei-
kommissbibliothek von vornherein als Aufbewahrungsort für einschlägige
Objekte prädestinierte: Persönliche Geschenke an den Kaiser – allen voran
die Huldigungsadressen – gelangten ebenso wie Erinnerungsstücke an ihn –
etwa die Schulhefte und Zeichnungen aus seiner Jugendzeit – geradezu wie
selbstverständlich in die Sammlung. Auf dieser Grundlage war es angesichts
des permanent ansteigenden Interesses der Öffentlichkeit an der Fideikom-
missbibliothek und deren Beständen aber anscheinend nur eine Frage der
Zeit, bis auch diese Objekte in den Fokus der Wahrnehmung treten würden.
Die Besonderheit war in diesem speziellen Fall freilich, dass das Interesse
nicht nur von außen kam, sondern von der Sammlung selbst gefördert und
in einem spezifischen Sinn instrumentalisiert wurde oder wenigstens wer-
den sollte. Bereits Moritz Alois von Becker erkannte den propagandistischen
Wert bestimmter Objekte, wie etwa der Huldigungsadressen, und ihrer öf-
fentlichen Präsentation. Durch Zhishman wurde eine sammlungsinterne
Ausstellung, die die Fideikommissbibliothek als Habsburgersammlung in
der öffentlichen Wahrnehmung positionierte, erstmals realisiert. Zum Er-
innerungsraum für Herrscherhaus und Monarchie wäre sie freilich erst
mit der Verwirklichung von Schnürers Habsburgermuseum geworden. Die
Gründe für das Aufkommen und Scheitern dieses Planes aber sind so vielsa-
gend – sowohl für die Tendenzen in der damaligen Gesellschaft als auch für
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Titel
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Untertitel
- Metamorphosen einer Sammlung
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1073
- Kategorien
- Geschichte Chroniken