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DIE FIDEIKOMMISSBIBLIOTHEK
1914–1919948
ein Beispiel: Im Jänner 1919 beantragte sie die Enthebung vom Dienst als
Hilfskraft der Fideikommissbibliothek95 und trat in das Benediktinerin-
nenkloster Nonnberg in Salzburg ein. In ihren Aufzeichnungen nennt sie
allein ihre Religiosität als Impetus für die Wahl des künftigen Lebenswegs.
Dennoch bleibt die Frage offen, inwieweit bei der Entscheidungsfindung
der 47-Jährigen nicht auch ökonomische und gesundheitliche Gründe für
die Versorgung im Kloster eine Rolle spielten. Die von Brentano geforderte
Wiederherstellung der alten Geschlechterordnung in der Fideikommissbib-
liothek war damit abgeschlossen, denn auch Gertrude Schenek quittierte
aufgrund von nicht näher erläuterten „Familien-Rücksichten“ Ende Dezem-
ber 1918 ihren Dienst.96 So blieb einzig die immer wechselnde Bedienerin97
die einzige Frau im Personalstand der Fideikommissbibliothek.
1.1.3 Staatliche Subventionen für das Bibliothekspersonal
Im Laufe des Ersten Weltkriegs, um genau zu sein, in den Jahren von Ende
1913 bis November 1918, war das von der Notenbank im Umlauf befindliche
Geld um beinahe das 15-Fache gestiegen. Die Lebenshaltungskosten hatten
sich von Juli 1914 bis November 1918 verdreizehnfacht.98 Diese uferlosen
Preissteigerungen waren für die Bevölkerung schwer zu ertragen. In Bezug
auf die Fideikommissbibliothek kann man festhalten, dass die Angestellten
aufgrund ihrer Stellung bei Hof eine finanzielle Versorgung empfingen und
dass deren Status als gesichert zu bezeichnen war. Tatsächlich befanden
sich die Bibliotheksangestellten bei Hof in einer Art „Elfenbeinturm“. Im
Vergleich mit dem Leben der Soldaten an der Front mutet es somit befremd-
lich an, dass Rudolf Payer von Thurn im Juni 1916 über seinen Gesundheits-
zustand schreibt: „Hoffentlich gibt sich die Sache wieder, wenn der unglück-
selige Krieg, der mich vielleicht mehr als manchen andern hergenommen
hat, zu Ende ist.“99
Dem vorausgegangen war ein Ansuchen um einen Gehaltsvorschuss bzw.
um eine Beihilfe in der Höhe von 1.400 K. Payer von Thurn verfügte zu die-
95 FKBA46052.
96 FKBA46045.
97 Ab 1917 verrichtete die Bedienerin Josefine Gmachl in der Fideikommissbibliothek ihre
Arbeit. Sie wurde 1922, ebenso wie andere Bedienerinnen, von der Nationalbibliothek ent-
lassen. In den Jahren 1918 und 1919 scheint neben Gmachl auch die Bedienerin Josefine
Eisenmayer auf. Vgl. FKBA46047, vol. 1r. bzw. ebenso Wien, ÖStA, HHStA, GdPFF J.R.,
Rubr. 5 Fideikommissbibliothek 540, 21/1919, fol. 1r.
98 Kernbauer, Währungspolitik, 22.
99 ÖNB, BAG, EZ 3040, Nachlass Franz Schnürer, Korrespondenz von Rudolf Payer von
Thurn, Wien, 30.06.1917, fol. 1r.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Titel
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Untertitel
- Metamorphosen einer Sammlung
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1073
- Kategorien
- Geschichte Chroniken