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DIE „K. U. K. FAMILIEN-FIDEIKOMMISSBIBLIOTHEK“ IM ERSTEN WELTKRIEG 949
sem Zeitpunkt laut Generaldirektion über ein jährliches Einkommen von
9.300 K100 exklusive Zuschüsse. Payer von Thurn selbst gab nach Abzug der
Personaleinkommensteuer ein Jahresgehalt von 8.282,54 K an, welches aber
nicht zur Bestreitung seiner jährlichen Ausgaben in der Höhe von 8.755.40
ausreichte. Seine Lebensführung, die sich laut seinen Angaben „kaum über
die Stufe des sogenannten Proletariates erhebt“, ließe neben der Bestreitung
der Lebenshaltungskosten keine weiteren Ausgaben zu: „kein Raum für eine
Weihnachtsbescherung der Kinder, kein Raum für Erholung in frischer Luft,
kein Raum für gelegentlichen Theaterbesuch und andere Dinge, die angeb-
lich zu den unentbehrlichen Bedürfnissen eines Kulturmenschen zählen“.
Der Text des im Anhang edierten Ansuchens sowie die darin enthaltenen
Ausgaben geben einen anschaulichen Überblick über die Lebensführung ei-
nes höheren Beamten in den Kriegsjahren 1915/1916.101 Die beantragte Bei-
hilfe wird nach der am 10. Februar 1916 erteilten kaiserlichen Bewilligung
aus der Bibliotheksdotation für Kanzleiauslagen bezahlt, obwohl nach einer
Einschätzung der Generealdirektion der allerhöchsten Privat- und Famili-
enfonde aufgrund der laufenden Verpflichtungen Payer von Thurns durch
die einmalige Finanzspritze langfristig keine Besserung der Umstände zu
erwarten war.102 Dennoch wird festgehalten, „daß nach Versicherung des Ge-
nannten nunmehr seine wirtschaftliche Lage endgiltig bereinigt und dau-
ernder Ordnung zugeführt sein werde“.103
Payer von Thurn versuchte, das Leben eines „Kulturmenschen“ trotz der
Kriegszeiten aufrecht zu erhalten. Wie bereits angesprochen, kann daher
die Lebensführung und soziale Lage der Angestellten der Fideikommiss-
bibliothek im Gefüge des Hofes trotz der Kriegszeiten nicht als schlecht
bezeichnet werden. Denn bei der finanziellen Unterstützung Payer von
Thurns handelte es sich nicht um eine Ausnahme, auch wenn der Betrag
vergleichsweise hoch war. Tatsächlich erhielten die Angestellten von der
Generaldirektion auch über die Kriegsjahre hinaus Zuschüsse in Form von
Teuerungszulagen und Annualzulagen.104
Generell ist zu konstatieren, dass finanzielle Unterstützungen während
des Ersten Weltkriegs vom Personal verstärkt in Anspruch genommen wur-
den. Die bewilligten Ansuchen an die Generaldirektion betreffen finanzielle
100 4.500 K Stammgehalt, 1.400 K aus sieben Annualzulagen, 1.600 K Quartiergeld, sowie die
Remunerationen für Archiv und Kanzlei vom Orden des Goldenen Vließes und der Eiser-
nen Krone für 1.800 K. Vgl. Wien, ÖStA, HHStA, GdPFF J.R., Rubr. 5 Fideikommissbiblio-
thek 540, 408/1916, fol. 2v.
101 Siehe den im Anhang edierten Text des Ansuchens.
102 Wien, ÖStA, HHStA, GdPFF J.R., Rubr. 5 Fideikommissbibliothek 541, 408/1916, fol. 1r–v.
103 Ebenda, 2r.
104 FKBA43029.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Titel
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Untertitel
- Metamorphosen einer Sammlung
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1073
- Kategorien
- Geschichte Chroniken