Seite - 26 - in Schriften von Sigmund Freud - (1856–1939)
Bild der Seite - 26 -
Text der Seite - 26 -
Rede hat auch ihren Sinn; sie sagt, es gibt nur einen Menschen, der das versteht.
Diesen Gruppen von Fällen, in denen die Fehlleistung ihren Sinn selbst zum Vorschein bringt,
stehen andere gegenüber, in denen das Versprechen nichts an sich Sinnreiches geliefert hat, die
also unseren Erwartungen energisch widersprechen. Wenn jemand durch Versprechen einen
Eigennamen verdreht oder ungebräuchliche Lautfolgen zusammenstellt, so scheint durch diese
sehr häufigen Vorkommnisse die Frage, ob alle Fehlhandlungen etwas Sinnreiches leisten, bereits
im ablehnenden Sinne entschieden zu sein. Allein bei näherem Eingehen auf solche Beispiele
zeigt es sich, daß ein Verständnis dieser Entstellungen leicht möglich wird, ja daß der
Unterschied zwischen diesen dunkleren und früheren klaren Fällen gar nicht so groß ist.
Ein Herr, nach dem Befinden seines Pferdes befragt, antwortet: Ja, das draut… Das dauert
vielleicht noch einen Monat. Befragt, was er eigentlich sagen wollte, erklärt er, er habe gedacht,
das sei eine traurige Geschichte, der Zusammenstoß von »dauert« und »traurig« habe jenes
»draut« ergeben. (Meringer und Mayer.)
Ein anderer erzählt von irgendwelchen Vorgängen, die er beanständet, und setzt fort: Dann aber
sind Tatsachen zum Vorschwein gekommen… Auf Anfragen bestätigt er, daß er diese Vorgänge
als Schweinereien bezeichnen wollte. »Vorschein« und »Schweinerei« haben mitsammen das
sonderbare »Vorschwein« entstehen lassen. (Meringer und Mayer.)
Erinnern Sie sich an den Fall des jungen Mannes, der die ihm unbekannte Dame begleitdigen
wollte. Wir hatten uns die Freiheit genommen, diese Wortbildung in begleiten und beleidigen zu
zerlegen, und fühlten uns dieser Deutung sicher, ohne für sie Bestätigung zu fordern. Sie ersehen
aus diesen Beispielen, daß auch diese dunkleren Fälle des Versprechens sich durch das
Zusammentreffen, die Interferenz, zweier verschiedener Redeabsichten erklären lassen; die
Unterschiede entstehen nur dadurch, daß einmal die eine Absicht die andere völlig ersetzt
(substituiert), so bei den Versprechen zum Gegenteil, während sie sich ein andermal damit
begnügen muß, sie zu entstellen oder zu modifizieren, so daß Mischbildungen zustandekommen,
die an sich mehr oder minder sinnreich erscheinen.
Wir glauben jetzt das Geheimnis einer großen Anzahl von Versprechen erfaßt zu haben. Halten
wir an dieser Einsicht fest, so werden wir noch andere bisher rätselhafte Gruppen verstehen
können. Beim Namenentstellen können wir z. B. nicht annehmen, daß es sich immer um die
Konkurrenz zweier ähnlicher und doch verschiedener Namen handelt. Aber die zweite Absicht ist
doch unschwer zu erraten. Die Entstellung eines Namens kommt außerhalb des Versprechens
häufig genug vor; sie versucht den Namen übelklingend oder an etwas Niedriges anklingend zu
machen und ist eine bekannte Art oder Unart der Schmähung, auf die der gebildete Mensch bald
verzichten lernt, aber nicht gerne verzichtet. Er gestattet sich dieselbe noch oft als »Witz« von
allerdings sehr geringer Würde. Um nur ein grelles und häßliches Beispiel dieser
Namensentstellung anzuführen, erwähne ich, daß man den Namen des Präsidenten der
französischen Republik, Poincaré, in diesen Zeiten in »Schweinskarré« umgewandelt hat. Es liegt
also nahe, auch beim Versprechen eine solche schmähende Absicht anzunehmen, die sich in der
Entstellung des Namens durchsetzt. Ähnliche Aufklärungen drängen sich uns in Fortführung
unserer Auffassung für gewisse Fälle des Versprechens mit komischem oder absurdem Effekt
auf. »Ich fordere Sie auf, auf das Wohl unseres Chefs aufzustoßen.« Hier wird eine feierliche
Stimmung unerwarteterweise durch das Eindringen eines Wortes gestört, das eine unappetitliche
Vorstellung erweckt, und wir können nach dem Vorbild gewisser Schimpf- und Trutzreden kaum
26
Schriften von Sigmund Freud
(1856–1939)
- Titel
- Schriften von Sigmund Freud
- Untertitel
- (1856–1939)
- Autor
- Sigmund Freud
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 21.6 x 28.0 cm
- Seiten
- 2789
- Schlagwörter
- Psychoanalyse, Traumdeutung, Sexualität, Angst, Hysterie, Paranoia, Neurologie, Medizin
- Kategorien
- Geisteswissenschaften
- Medizin