Seite - 39 - in Schriften von Sigmund Freud - (1856–1939)
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Die andere Art der Beziehung zwischen den beiden interferierenden Intentionen wirkt
befremdend. Wenn die störende Intention nichts mit dem Inhalt der gestörten zu tun hat, woher
kommt sie denn und woher rührt es, daß sie sich gerade an solcher Stelle als Störung bemerkbar
macht? Die Beobachtung, die hier allein Antwort geben kann, läßt erkennen, daß die Störung von
einem Gedankengang herrührt, der die betreffende Person kurz vorher beschäftigt hatte und der
nun in solcher Weise nachwirkt, gleichgültig ob er bereits Ausdruck in der Rede gefunden hat
oder nicht. Sie ist also wirklich als Nachklang zu bezeichnen, aber nicht notwendig als
Nachklang von gesprochenen Worten. Es fehlt auch hier nicht an einem assoziativen
Zusammenhang zwischen dem Störenden und dem Gestörten, aber er ist nicht im Inhalt gegeben,
sondern künstlich, oft auf sehr gezwungenen Verbindungswegen hergestellt.
Hören Sie ein einfaches Beispiel hiefür an, das ich selbst beobachtet habe. Ich treffe einmal in
unseren schönen Dolomiten mit zwei Wiener Damen zusammen, die als Touristinnen verkleidet
sind. Ich begleite sie ein Stück weit, und wir besprechen die Genüsse, aber auch die Beschwerden
der touristischen Lebensweise. Die eine der Damen gibt zu, daß diese Art, den Tag zu verbringen,
manches Unbequeme hat. Es ist wahr, sagt sie, daß es gar nicht angenehm ist, wenn man so in der
Sonne den ganzen Tag marschiert ist und Bluse und Hemd ganz durchgeschwitzt sind. In diesem
Satze hat sie einmal eine kleine Stockung zu überwinden. Dann setzt sie fort: Wenn man aber
dann nach Hose kommt und sich umkleiden kann… Wir haben dies Versprechen nicht analysiert,
aber ich meine, Sie können es leicht verstehen. Die Dame hatte die Absicht gehabt, die
Aufzählung vollständiger zu halten und zu sagen: Bluse, Hemd und Hose. Aus Motiven der
Wohlanständigkeit war die Erwähnung der Hose unterblieben, aber in dem nächsten, inhaltlich
ganz unabhängigen Satz kam das nicht ausgesprochene Wort als Verunstaltung des ähnlich
lautenden »nach Hause« zum Vorschein.
Nun können wir uns aber der lange aufgesparten Hauptfrage zuwenden, was für Intentionen es
sind, die sich in ungewöhnlicher Weise als Störungen anderer zum Ausdruck bringen. Nun
selbstverständlich sehr verschiedene, in denen wir aber das Gemeinsame finden wollen.
Untersuchen wir eine Reihe von Beispielen daraufhin, so werden sie sich uns alsbald in drei
Gruppen sondern. Zur ersten Gruppe gehören die Fälle, in denen die störende Tendenz dem
Redner bekannt ist, überdies aber vor dem Versprechen von ihm verspürt wurde. So gibt beim
Versprechen »Vorschwein« der Sprecher nicht nur zu, daß er das Urteil »Schweinereien« über
die betreffenden Vorgänge gefällt hat, sondern auch, daß er die Absicht hatte, von der er später
zurücktrat, ihm auch wörtlichen Ausdruck zu geben. Eine zweite Gruppe bilden andere Fälle, in
denen die störende Tendenz vom Sprecher gleichfalls als die seinige anerkannt wird, aber er weiß
nichts davon, daß sie gerade vor dem Versprechen bei ihm aktiv war. Er akzeptiert also unsere
Deutung seines Versprechens, bleibt aber doch in gewissem Maße verwundert über sie. Beispiele
für dieses Verhalten lassen sich von anderen Fehlleistungen vielleicht leichter geben als gerade
vom Versprechen. In einer dritten Gruppe wird die Deutung der störenden Intention vom
Sprecher energisch abgelehnt; er bestreitet nicht nur, daß sie sich vor dem Versprechen in ihm
geregt, sondern er will behaupten, daß sie ihm überhaupt völlig fremd ist. Erinnern Sie sich an
das Beispiel vom »Aufstoßen« und an die geradezu unhöfliche Abweisung, die ich mir durch die
Aufdeckung der störenden Intention von diesem Sprecher geholt habe. Sie wissen, daß wir in der
Auffassung dieser Fälle noch keine Einigung erzielt haben. Ich würde mir aus dem Widerspruch
des Toastredners nichts machen und unbeirrbar an meiner Deutung festhalten, während Sie,
meine ich, doch unter dem Eindrucke seines Sträubens stehen und in Erwägung ziehen, ob man
nicht auf die Deutung solcher Fehlleistungen verzichten und sie als rein physiologische Akte im
voranalytischen Sinne gelten lassen soll. Ich kann mir denken, was Sie abschreckt. Meine
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Schriften von Sigmund Freud
(1856–1939)
- Titel
- Schriften von Sigmund Freud
- Untertitel
- (1856–1939)
- Autor
- Sigmund Freud
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 21.6 x 28.0 cm
- Seiten
- 2789
- Schlagwörter
- Psychoanalyse, Traumdeutung, Sexualität, Angst, Hysterie, Paranoia, Neurologie, Medizin
- Kategorien
- Geisteswissenschaften
- Medizin