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Schriften von Sigmund Freud - (1856–1939)
Seite - 82 -
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9. Vorlesung Die Traumzensur Meine Damen und Herren! Entstehung, Wesen und Funktion des Traumes haben wir aus dem Studium der Kinderträume kennengelernt. Die Träume sind Beseitigungen schlafstörender (psychischer) Reize auf dem Wege der halluzinierten Befriedigung. Von den Träumen der Erwachsenen haben wir allerdings nur eine Gruppe aufklären können, jene, die wir als Träume von infantilem Typus bezeichnet haben. Was es mit den anderen ist, wissen wir noch nicht, aber wir verstehen sie auch nicht. Wir haben vorläufig ein Resultat gewonnen, dessen Bedeutung wir nicht unterschätzen wollen. Jedesmal, wenn uns ein Traum voll verständlich ist, erweist er sich als eine halluzinierte Wunscherfüllung. Dies Zusammentreffen kann nicht zufällig und nicht gleichgültig sein. Von einem Traum anderer Art nehmen wir auf Grund verschiedener Überlegungen und in Analogie zur Auffassung der Fehlleistungen an, daß er ein entstellter Ersatz für einen unbekannten Inhalt ist und erst auf diesen zurückgeführt werden muß. Die Untersuchung, das Verständnis dieser Traumentstellung ist nun unsere nächste Aufgabe. Die Traumentstellung ist dasjenige, was uns den Traum fremdartig und unverständlich erscheinen läßt. Wir wollen mehrerlei von ihr wissen: erstens, wovon sie herrührt, ihren Dynamismus, zweitens, was sie macht, und endlich, wie sie es macht. Wir können auch sagen, die Traumentstellung ist das Werk der Traumarbeit. Wir wollen die Traumarbeit beschreiben und auf die in ihr wirkenden Kräfte zurückführen. Und nun hören Sie folgenden Traum an. Er ist von einer Dame unseres Kreises[9] verzeichnet worden, stammt nach ihrer Auskunft von einer hochangesehenen, feingebildeten älteren Dame her. Eine Analyse dieses Traumes ist nicht angestellt worden. Unsere Referentin bemerkt, daß es für Psychoanalytiker keiner Deutung bedürfe. Die Träumerin selbst hat ihn auch nicht gedeutet, aber sie hat ihn beurteilt und so verurteilt, als ob sie ihn zu deuten verstünde. Denn sie äußerte über ihn: Und solches abscheuliche, dumme Zeug träumt einer Frau von 50 Jahren, die Tag und Nacht keinen anderen Gedanken hat als die Sorge um ihr Kind! Und nun der Traum von den »Liebesdiensten«. »Sie geht ins Garnisonsspital Nr. 1 und sagt dem Posten beim Tor, sie müsse den Oberarzt … (sie nennt einen ihr unbekannten Namen) sprechen, da sie im Spitale Dienst tun wolle. Dabei betont sie das Wort ›Dienst‹ so, daß der Unteroffizier sofort merkt, es handle sich um ›Liebes‹dienste. Da sie eine alte Frau ist, läßt er sie nach einigem Zögern passieren. Statt aber zum Oberarzt zu kommen, gelangt sie in ein großes, düsteres Zimmer, in dem viele Offiziere und Militärärzte an einem langen Tisch stehen und sitzen. Sie wendet sich mit ihrem Antrag an einen Stabsarzt, der sie nach wenigen Worten schon versteht. Der Wortlaut ihrer Rede im Traum ist: ›Ich und zahlreiche andere Frauen und junge Mädchen Wiens sind bereit, den Soldaten, Mannschaft und Offiziere ohne Unterschied,…‹ Hier folgt im Traum ein Gemurmel. Daß dasselbe aber von allen Anwesenden richtig verstanden wird, zeigen ihr die teils verlegenen, teils hämischen Mienen der Offiziere. Die Dame fährt fort: ›Ich weiß, daß unser Entschluß befremdend klingt, aber es ist uns bitterernst. Der Soldat im Feld wird auch nicht gefragt, ob er sterben will oder nicht.‹ Ein minutenlanges peinliches Schweigen folgt. Der Stabsarzt legt ihr den Arm um die Mitte und sagt: ›Gnädige Frau, nehmen Sie den Fall, es würde tatsächlich dazu kommen,…‹ (Gemurmel). Sie entzieht sich seinem Arm mit dem Gedanken: Es ist 82
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Schriften von Sigmund Freud (1856–1939)
Titel
Schriften von Sigmund Freud
Untertitel
(1856–1939)
Autor
Sigmund Freud
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
Abmessungen
21.6 x 28.0 cm
Seiten
2789
Schlagwörter
Psychoanalyse, Traumdeutung, Sexualität, Angst, Hysterie, Paranoia, Neurologie, Medizin
Kategorien
Geisteswissenschaften
Medizin
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