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Schriften von Sigmund Freud - (1856–1939)
Seite - 88 -
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von Geführten nicht mitschuldig wären? Getrauen Sie sich auch unter diesen Verhältnissen, für den Ausschluß des Bösen aus der seelischen Konstitution des Menschen eine Lanze zu brechen? Sie werden mir vorhalten, ich beurteile den Krieg einseitig; er habe auch das Schönste und Edelste der Menschen zum Vorschein gebracht, ihren Heldenmut, ihre Selbstaufopferung, ihr soziales Fühlen. Gewiß, aber machen Sie sich hier nicht mitschuldig an der Ungerechtigkeit, die man so oft an der Psychoanalyse begangen hat, indem man ihr vorgeworfen, das eine zu leugnen, weil sie das andere behauptet. Es ist nicht unsere Absicht, die edlen Strebungen der menschlichen Natur abzuleugnen, noch haben wir je etwas dazu getan, sie in ihrem Wert herabzusetzen. Im Gegenteile; ich zeige Ihnen nicht nur die zensurierten bösen Traumwünsche, sondern auch die Zensur, welche sie unterdrückt und unkenntlich macht. Bei dem Bösen im Menschen verweilen wir nur darum mit stärkerem Nachdruck, weil die anderen es verleugnen, wodurch das menschliche Seelenleben zwar nicht besser, aber unverständlich wird. Wenn wir dann die einseitig ethische Wertung aufgeben, werden wir für das Verhältnis des Bösen zum Guten in der menschlichen Natur gewiß die richtigere Formel finden können. Es bleibt also dabei. Wir brauchen die Ergebnisse unserer Arbeit an der Traumdeutung nicht aufzugeben, wenn wir sie auch befremdend finden müssen. Vielleicht können wir uns später auf anderem Wege ihrem Verständnis nähern. Vorläufig halten wir fest: Die Traumentstellung ist eine Folge der Zensur, welche von anerkannten Tendenzen des Ichs gegen irgendwie anstößige Wunschregungen ausgeübt wird, die sich nächtlicherweile, während des Schlafes, in uns rühren. Freilich, warum gerade nächtlicherweile und woher diese verwerflichen Wünsche stammen, daran bleibt noch viel zu fragen und zu erforschen. Es wäre aber Unrecht, wenn wir jetzt versäumten, ein anderes Ergebnis dieser Untersuchungen gebührend hervorzuheben. Die Traumwünsche, die uns im Schlafe stören wollen, sind uns unbekannt, wir erfahren von ihnen ja erst durch die Traumdeutung; sie sind also als derzeit unbewußte im besprochenen Sinne zu bezeichnen. Aber wir müssen uns sagen, sie sind auch mehr als derzeit unbewußt. Der Träumer verleugnet sie ja auch, wie wir in so vielen Fällen erfahren haben, nachdem er sie durch die Deutung des Traumes kennengelernt hat. Es wiederholt sich dann der Fall, dem wir zuerst bei der Deutung des Versprechens »Aufstoßen« begegnet sind, als der Toastredner empört versicherte, daß ihm weder damals noch je zuvor eine unehrerbietige Regung gegen seinen Chef bewußt geworden. Wir hatten schon damals an dem Wert einer solchen Versicherung gezweifelt und dieselbe durch die Annahme ersetzt, daß der Redner dauernd nichts von dieser in ihm vorhandenen Regung weiß. Solches wiederholt sich nun bei jeder Deutung eines stark entstellten Traumes und gewinnt somit an Bedeutung für unsere Auffassung. Wir sind nun bereit anzunehmen, daß es im Seelenleben Vorgänge, Tendenzen gibt, von denen man überhaupt nichts weiß, seit langer Zeit nichts weiß, vielleicht sogar niemals etwas gewußt hat. Das Unbewußte erhält damit für uns einen neuen Sinn; das »derzeit« oder »zeitweilig« schwindet aus seinem Wesen, es kann auch dauernd unbewußt bedeuten, nicht bloß »derzeit latent«. Natürlich werden wir auch darüber ein anderes Mal mehr hören müssen. [◀ ] 88
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Schriften von Sigmund Freud (1856–1939)
Titel
Schriften von Sigmund Freud
Untertitel
(1856–1939)
Autor
Sigmund Freud
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
Abmessungen
21.6 x 28.0 cm
Seiten
2789
Schlagwörter
Psychoanalyse, Traumdeutung, Sexualität, Angst, Hysterie, Paranoia, Neurologie, Medizin
Kategorien
Geisteswissenschaften
Medizin
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