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Schriften von Sigmund Freud - (1856–1939)
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zumeist unbekannt; auch wir mußten sie erst mühsam zusammensuchen. Zweitens sind diese Symbolbeziehungen nichts, was dem Träumer oder der Traumarbeit, durch die sie zum Ausdruck kommen, eigentümlich wäre. Wir haben ja erfahren, derselben Symbolik bedienen sich Mythen und Märchen, das Volk in seinen Sprüchen und Liedern, der gemeine Sprachgebrauch und die dichterische Phantasie. Das Gebiet der Symbolik ist ein ungemein großes, die Traumsymbolik ist nur ein kleiner Teil davon; es ist nicht einmal zweckmäßig, das ganze Problem vom Traum aus in Angriff zu nehmen. Viele der anderswo gebräuchlichen Symbole kommen im Traum nicht oder nur sehr selten vor; manche der Traumsymbole finden sich nicht auf allen anderen Gebieten wieder, sondern, wie Sie gesehen haben, nur hier und dort. Man bekommt den Eindruck, daß hier eine alte, aber untergegangene Ausdrucksweise vorliegt, von welcher sich auf verschiedenen Gebieten Verschiedenes erhalten hat, das eine nur hier, das andere nur dort, ein drittes vielleicht in leicht veränderten Formen auf mehreren Gebieten. Ich muß hier der Phantasie eines interessanten Geisteskranken gedenken, welcher eine »Grundsprache« imaginiert hatte, von welcher all diese Symbolbeziehungen die Überreste wären. Drittens muß Ihnen auffallen, daß die Symbolik auf den genannten anderen Gebieten keineswegs nur Sexualsymbolik ist, während im Traume die Symbole fast ausschließend zum Ausdruck sexueller Objekte und Beziehungen verwendet werden. Auch das ist nicht leicht erklärlich. Sollten ursprünglich sexuell bedeutsame Symbole später eine andere Anwendung erhalten haben, und hinge damit etwa noch die Abschwächung von der symbolischen zur andersartigen Darstellung zusammen? Diese Fragen sind offenbar nicht zu beantworten, wenn man sich nur mit der Traumsymbolik beschäftigt hat. Man darf nur an der Vermutung festhalten, daß eine besonders innige Beziehung zwischen den richtigen Symbolen und dem Sexuellen besteht. Ein wichtiger Fingerzeig ist uns hier in den letzten Jahren gegeben worden. Ein Sprachforscher, H. Sperber (Upsala), der unabhängig von der Psychoanalyse arbeitet, hat die Behauptung aufgestellt, daß sexuelle Bedürfnisse an der Entstehung und Weiterbildung der Sprache den größten Anteil gehabt haben. Die anfänglichen Sprachlaute haben der Mitteilung gedient und den sexuellen Partner herbeigerufen; die weitere Entwicklung der Sprachwurzeln habe die Arbeitsverrichtungen der Urmenschen begleitet. Diese Arbeiten seien gemeinsame gewesen und unter rhythmisch wiederholten Sprachäußerungen vor sich gegangen. Dabei sei ein sexuelles Interesse auf die Arbeit verlegt worden. Der Urmensch habe sich gleichsam die Arbeit annehmbar gemacht, indem er sie als Äquivalent und Ersatz der Geschlechtstätigkeit behandelte. Das bei der gemeinsamen Arbeit hervorgestoßene Wort habe so zwei Bedeutungen gehabt, den Geschlechtsakt bezeichnet wie die ihm gleichgesetzte Arbeitstätigkeit. Mit der Zeit habe sich das Wort von der sexuellen Bedeutung losgelöst und an diese Arbeit fixiert. Generationen später sei es mit einem neuen Wort, das nun die Sexualbedeutung hatte und auf eine neue Art von Arbeit angewendet wurde, ebenso ergangen. Auf solche Weise hätte sich eine Anzahl von Sprachwurzeln gebildet, die alle sexueller Herkunft waren und ihre sexuelle Bedeutung abgegeben hatten. Wenn die hier skizzierte Aufstellung das Richtige trifft, eröffnet sich uns allerdings eine Möglichkeit des Verständnisses für die Traumsymbolik. Wir würden begreifen, warum es im Traum, der etwas von diesen ältesten Verhältnissen bewahrt, so außerordentlich viele Symbole für das Geschlechtliche gibt, warum allgemein Waffen und Werkzeuge immer für das Männliche, die Stoffe und das Bearbeitete fürs Weibliche stehen. Die Symbolbeziehung wäre der Überrest der alten Wortidentität; Dinge, die einmal gleich geheißen haben wie das Genitale, könnten jetzt im Traum als Symbole für dasselbe eintreten. 99
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Schriften von Sigmund Freud (1856–1939)
Titel
Schriften von Sigmund Freud
Untertitel
(1856–1939)
Autor
Sigmund Freud
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
Abmessungen
21.6 x 28.0 cm
Seiten
2789
Schlagwörter
Psychoanalyse, Traumdeutung, Sexualität, Angst, Hysterie, Paranoia, Neurologie, Medizin
Kategorien
Geisteswissenschaften
Medizin
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