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Schriften von Sigmund Freud - (1856–1939)
Seite - 111 -
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beseitigt worden, nur der mit ihr assoziierte Hund ist geblieben. Vielleicht sind die älteren Damen, die ihn angrinsen, an die Stelle des Mädchens getreten. Was er sonst noch mitteilt, reicht zur Aufklärung dieses Punktes nicht aus. Daß er im Traume auf dem Rade fährt, ist direkte Wiederholung der erinnerten Situation. Er war dem Mädchen mit dem Hunde immer nur, wenn er zu Rade war, begegnet. 3) Wenn jemand einen seiner teueren Angehörigen verloren hat, so produziert er durch längere Zeit nachher Träume von besonderer Art, in denen das Wissen um den Tod mit dem Bedürfnis, den Toten wiederzubeleben, die merkwürdigsten Kompromisse abschließt. Bald ist der Verstorbene tot und lebt dabei doch weiter, weil er nicht weiß, daß er tot ist, und wenn er es wüßte, stürbe er erst ganz; bald ist er halb tot und halb lebendig, und jeder dieser Zustände hat seine besonderen Anzeichen. Man darf diese Träume nicht einfach unsinnige nennen, denn das Wiederbelebtwerden ist für den Traum nicht unannehmbarer als z.  B. für das Märchen, in dem es als ein sehr gewöhnliches Schicksal vorkommt. Soweit ich solche Träume analysieren konnte, ergab es sich, daß sie einer vernünftigen Lösung fähig sind, aber daß der pietätvolle Wunsch, den Toten ins Leben zurückzurufen, mit den seltsamsten Mitteln zu arbeiten versteht. Ich lege Ihnen hier einen solchen Traum vor, der sonderbar und unsinnig genug klingt und dessen Analyse Ihnen vieles von dem vorführen wird, worauf Sie durch unsere theoretischen Ausführungen vorbereitet sind. Der Traum eines Mannes, der seinen Vater vor mehreren Jahren verloren hatte: Der Vater ist gestorben, aber exhumiert worden und sieht schlecht aus. Er lebt seitdem fort, und der Träumer tut alles, damit er es nicht merkt. (Dann übergeht der Traum auf andere, scheinbar sehr fernliegende Dinge.) Der Vater ist gestorben, das wissen wir. Daß er exhumiert worden, entspricht nicht der Wirklichkeit, die ja auch für alles weitere nicht in Betracht kommt. Aber der Träumer erzählt: Nachdem er vom Begräbnis des Vaters zurückgekommen war, begann ihn ein Zahn zu schmerzen. Er wollte diesen Zahn nach der Vorschrift der jüdischen Lehre behandeln: Wenn dich dein Zahn ärgert, so reiße ihn aus, und begab sich zum Zahnarzt. Der aber sagte: Einen Zahn reißt man nicht, man muß Geduld mit ihm haben. Ich werde etwas einlegen, um ihn zu töten; nach drei Tagen kommen Sie wieder, dann werde ich’s herausnehmen. Dies »Herausnehmen«, sagt der Träumer plötzlich, das ist das Exhumieren. Sollte der Träumer recht haben? Es stimmt zwar nicht ganz, nur so ungefähr, denn der Zahn wird ja nicht herausgenommen, sondern etwas, das Abgestorbene, aus ihm. Aber dergleichen Ungenauigkeiten darf man der Traumarbeit nach anderen Erfahrungen wohl zutrauen. Dann hätte der Träumer den verstorbenen Vater mit dem getöteten und doch erhaltenen Zahn verdichtet, zu einer Einheit verschmolzen. Kein Wunder dann, daß im manifesten Traum etwas Sinnloses zustande kommt, denn es kann doch nicht alles auf den Vater passen, was vom Zahn gesagt wird. Wo wäre überhaupt das Tertium comparationis zwischen Zahn und Vater, welches diese Verdichtung ermöglicht? Es muß aber doch wohl so sein, denn der Träumer fährt fort, es sei ihm bekannt, wenn man von einem ausgefallenen Zahn träumt, so bedeutet es, daß man ein Familienmitglied verlieren werde. Wir wissen, daß diese populäre Deutung unrichtig oder wenigstens nur in einem skurrilen Sinne richtig ist. Umsomehr wird es uns überraschen, das so angeschlagene Thema doch hinter den anderen Stücken des Trauminhalts aufzufinden. 111
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Schriften von Sigmund Freud (1856–1939)
Titel
Schriften von Sigmund Freud
Untertitel
(1856–1939)
Autor
Sigmund Freud
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
Abmessungen
21.6 x 28.0 cm
Seiten
2789
Schlagwörter
Psychoanalyse, Traumdeutung, Sexualität, Angst, Hysterie, Paranoia, Neurologie, Medizin
Kategorien
Geisteswissenschaften
Medizin
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