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Schriften von Sigmund Freud - (1856–1939)
Seite - 112 -
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Ohne weitere Aufforderung beginnt nun der Träumer von der Krankheit und dem Tode des Vaters sowie von seinem Verhältnis zu ihm zu erzählen. Der Vater war lange krank, die Pflege und Behandlung des Kranken kostete ihn, den Sohn, viel Geld. Und doch war es ihm nie zuviel, er wurde nie ungeduldig, hatte nie den Wunsch, es möge doch schon zu Ende sein. Er rühmt sich echt jüdischer Pietät gegen den Vater, der strengen Befolgung des jüdischen Gesetzes. Fällt uns da nicht ein Widerspruch in den zum Traum gehörigen Gedanken auf? Er hatte Zahn und Vater identifiziert. Gegen den Zahn wollte er nach dem jüdischen Gesetz verfahren, welches das Urteil mit sich brachte, ihn auszureißen, wenn er Schmerz und Ärgernis bereitete. Auch gegen den Vater wollte er nach der Vorschrift des Gesetzes verfahren sein, welches aber hier lautet, Aufwand und Ärgernis nicht zu achten, alles Schwere auf sich zu nehmen und keine feindliche Absicht gegen das Schmerz bereitende Objekt aufkommen zu lassen. Wäre die Übereinstimmung nicht weit zwingender, wenn er wirklich gegen den kranken Vater ähnliche Gefühle entwickelt hätte wie gegen den kranken Zahn, d.  h. gewünscht hätte, ein baldiger Tod möge seiner überflüssigen, schmerzlichen und kostspieligen Existenz ein Ende setzen? Ich zweifle nicht, daß dies wirklich seine Einstellung gegen den Vater während dessen langwieriger Krankheit war und daß die prahlerischen Versicherungen seiner frommen Pietät dazu bestimmt sind, von diesen Erinnerungen abzulenken. Unter solchen Bedingungen pflegt der Todeswunsch gegen den Erzeuger rege zu werden und sich mit der Maske einer mitleidigen Erwägung wie: es wäre nur eine Erlösung für ihn, zu decken. Bemerken Sie aber wohl, daß wir hier in den latenten Traumgedanken selbst eine Schranke überschritten haben. Der erste Anteil derselben war gewiß nur zeitweilig, d.  h. während der Traumbildung, unbewußt, die feindseligen Regungen gegen den Vater dürften aber dauernd unbewußt gewesen sein, vielleicht aus Kinderzeiten stammen und sich während der Krankheit des Vaters gelegentlich schüchtern und verkleidet ins Bewußtsein geschlichen haben. Mit noch größerer Sicherheit können wir dies von anderen latenten Gedanken behaupten, die unverkennbare Beiträge an den Trauminhalt abgegeben haben. Von den feindseligen Regungen gegen den Vater ist ja nichts im Traum zu entdecken. Indem wir aber der Wurzel solcher Feindseligkeit gegen den Vater im Kinderleben nachforschen, erinnern wir uns, daß sich die Furcht vor dem Vater herstellt, weil dieser sich schon in frühesten Jahren der Sexualbetätigung des Knaben entgegensetzt, wie er es in der Regel im Alter nach der Pubertät aus sozialen Motiven wiederholen muß. Diese Beziehung zum Vater trifft auch für unseren Träumer zu; seiner Liebe zu ihm war genug Respekt und Angst beigemengt gewesen, die aus der Quelle der frühzeitigen Sexualeinschüchterung geflossen waren. Aus dem Onaniekomplex erklären sich nun die weiteren Sätze des manifesten Traumes. Er sieht schlecht aus spielt zwar auf eine weitere Rede des Zahnarztes an, daß es schlecht aussieht, wenn man einen Zahn an dieser Stelle eingebüßt hat; es bezieht sich aber gleichzeitig auf das schlechte Aussehen, durch welches der junge Mann in der Pubertät seine übermäßige Sexualbetätigung verrät oder zu verraten fürchtet. Nicht ohne eigene Erleichterung hat der Träumer im manifesten Inhalt das schlechte Aussehen von sich weg auf den Vater geschoben, eine der Ihnen bekannten Umkehrungen der Traumarbeit. Er lebt seitdem fort deckt sich mit dem Wiederbelebungswunsch wie mit dem Versprechen des Zahnarztes, daß der Zahn erhalten bleiben wird. Ganz raffiniert ist aber der Satz »der Träumer tut alles, damit er (der Vater) es nicht merkt«, darauf hergerichtet, uns zur Ergänzung zu verleiten, daß er gestorben ist. Die einzig sinnreiche Ergänzung ergibt sich aber wieder aus dem Onaniekomplex, wo es selbstverständlich ist, daß der Jüngling alles tut, um sein Sexualleben vor dem Vater zu verbergen. Erinnern Sie sich nun zum Schluß, daß wir die sogenannten Zahnreizträume stets auf Onanie und auf die gefürchtete Bestrafung für sie deuten 112
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Schriften von Sigmund Freud (1856–1939)
Titel
Schriften von Sigmund Freud
Untertitel
(1856–1939)
Autor
Sigmund Freud
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
Abmessungen
21.6 x 28.0 cm
Seiten
2789
Schlagwörter
Psychoanalyse, Traumdeutung, Sexualität, Angst, Hysterie, Paranoia, Neurologie, Medizin
Kategorien
Geisteswissenschaften
Medizin
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