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Schriften von Sigmund Freud - (1856–1939)
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13. Vorlesung Archaische Züge und Infantilismus des Traumes Meine Damen und Herren! Lassen Sie uns wieder an unser Resultat anknüpfen, daß die Traumarbeit die latenten Traumgedanken unter dem Einfluß der Traumzensur in eine andere Ausdrucksweise überführt. Die latenten Gedanken sind nicht anders als die uns bekannten bewußten Gedanken unseres Wachlebens; die neue Ausdrucksweise ist uns durch vielfältige Züge unverständlich. Wir haben gesagt, daß sie auf Zustände unserer intellektuellen Entwicklung zurückgreift, die wir längst überwunden haben, auf die Bildersprache, die Symbolbeziehung, vielleicht auf Verhältnisse, die vor der Entwicklung unserer Denksprache bestanden haben. Wir nannten die Ausdrucksweise der Traumarbeit darum eine archaische oder regressive. Sie können daraus den Schluß ableiten, daß es durch das vertieftere Studium der Traumarbeit gelingen müßte, wertvolle Aufschlüsse über die nicht gut gekannten Anfänge unserer intellektuellen Entwicklung zu gewinnen. Ich hoffe, es wird so sein, aber diese Arbeit ist bisher noch nicht in Angriff genommen worden. Die Vorzeit, in welche die Traumarbeit uns zurückführt, ist eine zweifache, erstens die individuelle Vorzeit, die Kindheit, anderseits, insofern jedes Individuum in seiner Kindheit die ganze Entwicklung der Menschenart irgendwie abgekürzt wiederholt, auch diese Vorzeit, die phylogenetische. Ob es gelingen wird zu unterscheiden, welcher Anteil der latenten seelischen Vorgänge aus der individuellen, und welcher aus der phylogenetischen Urzeit stammt, – ich halte es nicht für unmöglich. So scheint mir z.  B. die Symbolbeziehung, die der Einzelne niemals erlernt hat, zum Anspruch berechtigt, als phylogenetisches Erbe betrachtet zu werden. Indes ist dies nicht der einzige archaische Charakter des Traumes. Sie kennen alle wohl aus der Erfahrung an sich die merkwürdige Amnesie der Kindheit. Ich meine die Tatsache, daß die ersten Lebensjahre, bis zum fünften, sechsten oder achten, nicht die Spuren im Gedächtnis hinterlassen haben wie das spätere Erleben. Man trifft zwar auf einzelne Menschen, welche sich einer kontinuierlichen Erinnerung vom frühen Anfang bis auf den heutigen Tag rühmen können, aber das andere Verhalten, das der Gedächtnislücke, ist das ungleich häufigere. Ich meine, über diese Tatsache hat man sich nicht genug verwundert. Das Kind kann mit zwei Jahren gut sprechen, es zeigt bald, daß es sich in komplizierten seelischen Situationen zurechtfindet, und gibt Äußerungen von sich, die ihm viele Jahre später wiedererzählt werden, die es selbst aber vergessen hat. Und dabei ist das Gedächtnis in frühen Jahren leistungsfähiger, weil weniger überladen als in späteren. Auch liegt kein Anlaß vor, die Gedächtnisfunktion für eine besonders hohe oder schwierige Seelenleistung zu halten; man kann im Gegenteile ein gutes Gedächtnis noch bei Personen finden, die intellektuell sehr niedrig stehen. Als zweite Merkwürdigkeit, die dieser ersten aufgesetzt ist, muß ich aber anführen, daß aus der Erinnerungsleere, welche die ersten Kindheitsjahre umfaßt, sich einzelne gut erhaltene, meist plastisch empfundene Erinnerungen herausheben, welche diese Erhaltung nicht rechtfertigen können. Mit dem Material von Eindrücken, welche uns im späteren Leben treffen, verfährt unser Gedächtnis so, daß es eine Auslese vornimmt. Es behält das irgend Wichtige und läßt Unwichtiges fallen. Mit den erhaltenen Kindheitserinnerungen ist es anders. Sie entsprechen 118
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Schriften von Sigmund Freud (1856–1939)
Titel
Schriften von Sigmund Freud
Untertitel
(1856–1939)
Autor
Sigmund Freud
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
Abmessungen
21.6 x 28.0 cm
Seiten
2789
Schlagwörter
Psychoanalyse, Traumdeutung, Sexualität, Angst, Hysterie, Paranoia, Neurologie, Medizin
Kategorien
Geisteswissenschaften
Medizin
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