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Schriften von Sigmund Freud - (1856–1939)
Seite - 131 -
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Gewissensmahnung, einen Versuch, sich für eine bevorstehende Leistung vorzubereiten usw? Warum aber gerade immer nur einen Wunsch oder höchstens noch sein Gegenteil? Man könnte meinen, eine Differenz in diesem Punkte sei nicht wichtig, wenn man sonst einig ist. Genug, daß wir den Sinn des Traumes und die Wege, ihn zu erkennen, aufgefunden; es tritt dagegen zurück, wenn wir diesen Sinn zu enge bestimmt haben sollten; aber es ist nicht so. Ein Mißverständnis in diesem Punkte trifft das Wesen unserer Erkenntnis vom Traum und gefährdet dessen Wert für das Verständnis der Neurose. Auch ist jene Art von Entgegenkommen, die im kaufmännischen Leben als »Kulanz« geschätzt wird, im wissenschaftlichen Betrieb nicht an ihrem Platze und eher schädlich. Meine erste Antwort auf die Frage, warum der Traum nicht im angegebenen Sinn vieldeutig sein soll, lautet wie gewöhnlich in solchen Fällen: Ich weiß nicht, warum es nicht so sein soll. Ich hätte nichts dagegen. Meinetwegen sei es so. Nur eine Kleinigkeit widersetzt sich dieser breiteren und bequemeren Auffassung des Traumes, daß es nämlich in Wirklichkeit nicht so ist. Meine zweite Antwort wird betonen, daß die Annahme, der Traum entspreche mannigfaltigen Denkformen und intellektuellen Operationen, mir selbst nicht fremd ist. Ich habe einmal in einer Krankengeschichte einen Traum berichtet, der drei Nächte hintereinander auftrat und dann nicht mehr, und habe dies Verhalten damit erklärt, daß der Traum einem Vorsatz entsprach, der nicht wiederzukehren brauchte, nachdem er ausgeführt worden war. Später habe ich einen Traum veröffentlicht, der einem Geständnis entsprach. Wie kann ich also doch widersprechen und behaupten, daß der Traum immer nur ein erfüllter Wunsch sei? Ich tue das, weil ich ein einfältiges Mißverständnis nicht zulassen will, welches uns die Frucht unserer Bemühung um den Traum kosten kann, ein Mißverständnis, das den Traum mit den latenten Traumgedanken verwechselt und von ihm etwas aussagt, was einzig und allein zu den letzteren gehört. Es ist nämlich ganz richtig, daß der Traum all das vertreten und durch das ersetzt werden kann, was wir vorhin aufgezählt haben: einen Vorsatz, eine Warnung, Überlegung, Vorbereitung, einen Lösungsversuch einer Aufgabe usw. Aber wenn sie richtig zusehen, erkennen Sie, daß dies alles nur von den latenten Traumgedanken gilt, die in den Traum umgewandelt worden sind. Sie erfahren aus den Deutungen der Träume, daß das unbewußte Denken der Menschen sich mit solchen Vorsätzen, Vorbereitungen, Überlegungen usw. beschäftigt, aus denen dann die Traumarbeit die Träume macht. Wenn Sie sich für die Traumarbeit derzeit nicht interessieren, für die unbewußte Denkarbeit des Menschen aber sehr interessieren, dann eliminieren Sie die Traumarbeit und sagen von dem Traum praktisch ganz richtig aus, er entspreche einer Warnung, einem Vorsatz u.  dgl. In der psychoanalytischen Tätigkeit trifft dieser Fall oft zu: Man strebt meist nur danach, die Traumform wieder zu zerstören und die latenten Gedanken, aus denen der Traum geworden ist, an seiner statt in den Zusammenhang einzufügen. So ganz nebenbei erfahren wir also aus der Würdigung der latenten Traumgedanken, daß alle die genannten, hochkomplizierten seelischen Akte unbewußt vor sich gehen können, ein ebenso großartiges wie verwirrendes Resultat! Aber um zurückzukehren, Sie haben nur recht, wenn Sie sich klarmachen, daß Sie sich einer abgekürzten Redeweise bedient haben, und wenn Sie nicht glauben, daß Sie jene angeführte Mannigfaltigkeit auf das Wesen des Traumes beziehen müssen. Wenn Sie vom »Traum« sprechen, so müssen Sie entweder den manifesten Traum meinen, d.  i. das Produkt der 131
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Schriften von Sigmund Freud (1856–1939)
Titel
Schriften von Sigmund Freud
Untertitel
(1856–1939)
Autor
Sigmund Freud
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
Abmessungen
21.6 x 28.0 cm
Seiten
2789
Schlagwörter
Psychoanalyse, Traumdeutung, Sexualität, Angst, Hysterie, Paranoia, Neurologie, Medizin
Kategorien
Geisteswissenschaften
Medizin
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