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Schriften von Sigmund Freud - (1856–1939)
Seite - 1028 -
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Lust, die der (harmlose) Witz schafft, aus solcher Ersparung abgeleitet; späterhin haben wir die ursprüngliche Absicht des Witzes darin gefunden, derartigen Lustgewinn an Worten zu machen, was ihm auf der Stufe des Spieles unverwehrt war, im Verlaufe der intellektuellen Entwicklung aber durch die vernünftige Kritik eingedämmt wurde. Nun haben wir uns zu der Annahme entschlossen, daß derartige Verdichtungen, wie sie der Technik des Witzes dienen, automatisch, ohne besondere Absicht, während des Denkvorganges im Unbewußten entstehen. Liegen da nicht zwei verschiedene Auffassungen derselben Tatsache vor, die miteinander unverträglich scheinen? Ich glaube nicht; es sind allerdings zwei verschiedene Auffassungen, und sie verlangen miteinander in Einklang gebracht zu werden, aber sie widersprechen einander nicht. Die eine ist bloß der anderen fremd, und wenn wir eine Beziehung zwischen ihnen hergestellt haben, werden wir wahrscheinlich um ein Stück Erkenntnis weitergekommen sein. Daß solche Verdichtungen Quellen von Lustgewinn sind, verträgt sich sehr wohl mit der Voraussetzung, daß sie im Unbewußten leicht die Bedingungen zu ihrer Entstehung finden; wir sehen im Gegenteile die Motivierung für das Eintauchen ins Unbewußte in dem Umstande, daß dort die lustbringende Verdichtung, welcher der Witz bedarf, sich leicht ergibt. Auch zwei andere Momente, welche für die erste Betrachtung einander völlig fremd scheinen und wie durch einen unerwünschten Zufall zusammentreffen, werden sich bei tieferem Eingehen als innig verknüpft, ja wesenseinig erkennen lassen. Ich meine die beiden Aufstellungen, daß der Witz einerseits während seiner Entwicklung auf der Stufe des Spieles, also im Kindesalter der Vernunft, solche lustbringende Verdichtungen hervorbringen konnte und daß er anderseits auf höheren Stufen dieselbe Leistung durch das Eintauchen des Gedankens ins Unbewußte vollbringt. Das Infantile ist nämlich die Quelle des Unbewußten, die unbewußten Denkvorgänge sind keine anderen, als welche im frühen Kindesalter einzig und allein hergestellt werden. Der Gedanke, der zum Zwecke der Witzbildung ins Unbewußte eintaucht, sucht dort nur die alte Heimstätte des einstigen Spieles mit Worten auf. Das Denken wird für einen Moment auf die kindliche Stufe zurückversetzt, um so der kindlichen Lustquelle wieder habhaft zu werden. Wüßte man es nicht bereits aus der Erforschung der Neurosenpsychologie, so müßte man beim Witz auf die Ahnung geraten, daß die sonderbare unbewußte Bearbeitung nichts anderes als der infantile Typus der Denkarbeit ist. Es ist bloß nicht sehr leicht, dieses infantile Denken mit seinen im Unbewußten des Erwachsenen erhaltenen Eigentümlichkeiten beim Kinde zu erhaschen, weil es meist sozusagen in statu nascendi korrigiert wird. In einer Reihe von Fällen gelingt es aber doch, und dann lachen wir jedesmal über die »Kinderdummheit«. Jede Aufdeckung eines solchen Unbewußten wirkt auf uns überhaupt als »komisch«[50]. Leichter zu fassen sind die Charaktere dieser unbewußten Denkvorgänge in den Äußerungen der Kranken bei manchen psychischen Störungen. Es ist sehr wahrscheinlich, daß wir nach des alten Griesinger Vermutung imstande wären, die Delirien der Geisteskranken zu verstehen und als Mitteilungen zu verwerten, wenn wir nicht die Anforderungen des bewußten Denkens an sie stellen, sondern sie mit unserer Deutungskunst behandeln würden wie etwa die Träume[51]. Auch für den Traum haben wir ja seinerzeit die »Rückkehr des Seelenlebens auf den embryonalen Standpunkt« zur Geltung gebracht[52]. Wir haben an den Verdichtungsvorgängen die Bedeutung der Analogie von Witz und Traum so eingehend erörtert, daß wir uns im folgenden kürzer fassen dürfen. Wir wissen, daß die Verschiebungen bei der Traumarbeit auf die Einwirkung der Zensur des bewußten Denkens hindeuten, und werden demgemäß, wenn wir der Verschiebung unter den Techniken des Witzes begegnen, geneigt sein anzunehmen, daß auch bei der Witzbildung eine hemmende Macht eine Rolle spielt. Wir wissen auch bereits, daß dies ganz allgemein der Fall ist; das Bestreben des 1028
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Schriften von Sigmund Freud (1856–1939)
Titel
Schriften von Sigmund Freud
Untertitel
(1856–1939)
Autor
Sigmund Freud
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
Abmessungen
21.6 x 28.0 cm
Seiten
2789
Schlagwörter
Psychoanalyse, Traumdeutung, Sexualität, Angst, Hysterie, Paranoia, Neurologie, Medizin
Kategorien
Geisteswissenschaften
Medizin
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