Seite - 1657 - in Schriften von Sigmund Freud - (1856–1939)
Bild der Seite - 1657 -
Text der Seite - 1657 -
erste, mit Tinte geschriebene Dokument wiedergegeben werden. Auf welche Weise dies
geschieht, wird nicht mehr so ausführlich wie das erstemal beschrieben. Es heißt nur » qua iuxta
votum redditâ«, und an anderer Stelle erzählt der Kompilator, daß gerade diese Verschreibung »
zwsammengeknäult und in vier Stücke zerrissen« dem Maler am 9. Mai 1678 um die neunte
Abendstunde vom Teufel zugeworfen wurde.
Die Verschreibungen tragen aber beide dasselbe Datum: Jahr 1669.
Dieser Widerspruch bedeutet entweder gar nichts, oder er führt auf folgende Spur:
Wenn wir von der Darstellung des Abtes als der ausführlicheren ausgehen, ergeben sich
mancherlei Schwierigkeiten. Als Chr. H. dem Pfarrer von Pottenbrunn bekannte, er sei in
Teufelsnöten, der Termin laufe bald ab, kann er (im Jahre 1677) nur an die im Jahre 1668
ausgestellte Verschreibung gedacht haben, also an die erste, schwarze (die im Geleitbrief
allerdings einzig genannt und als die blutige bezeichnet wird). Wenige Tage später, in Mariazell,
bekümmert er sich aber nur darum, die spätere, blutige, zurückzubekommen, die noch gar nicht
fällig ist (1669–1677), und läßt die erste überfällig werden. Diese wird erst 1678, also im zehnten
Jahr zurückerbeten. Ferner, warum sind beide Verschreibungen aus dem gleichen Jahr 1669
datiert, wenn die eine ausdrücklich » anno subsequenti« zugeteilt ist?
Der Kompilator muß diese Schwierigkeiten verspürt haben, denn er macht einen Versuch, sie zu
beheben. In seiner Einleitung schließt er sich der Darstellung des Abtes an, modifiziert sie aber in
einem Punkte. Der Maler, sagt er, habe sich im Jahre 1669 dem Teufel mit Tinte verschrieben, »
deinde vero«, später aber mit Blut. Er setzt sich also über die ausdrückliche Angabe der beiden
Berichte, daß eine Verschreibung ins Jahr 1668 fällt, hinweg und vernachlässigt die Bemerkung
im Attest des Abtes, daß sich zwischen beiden Verschreibungen die Jahreszahl geändert, um im
Einklang mit der Datierung der beiden, vom Teufel zurückgegebenen Schriftstücke zu bleiben.
Im Attest des Abtes findet sich nach den Worten » sequenti vero anno 1669« eine in Klammern
eingeschlossene Stelle, welche lautet: » sumitur hic alter annus pro nondum completo, uti saepe
in loquendo fieri solet, nam eundem annum indicant Syngraphae, quarum atramento scripta ante
praesentem attestationem nondum habita fuit.« Diese Stelle ist ein unzweifelhaftes Einschiebsel
des Kompilators, denn der Abt, der nur eine Verschreibung gesehen hat, kann doch nicht
aussagen, daß beide dasselbe Datum tragen. Sie soll wohl auch durch die Klammern als ein dem
Zeugnis fremder Zusatz kenntlich gemacht werden. Was sie enthält, ist ein anderer Versuch des
Kompilators, die vorliegenden Widersprüche zu versöhnen. Er meint, es sei zwar richtig, daß die
erste Verschreibung im Jahre 1668 gegeben worden ist, aber da das Jahr schon vorgerückt war
(September), habe der Maler sie um ein Jahr vordatiert, so daß beide Verschreibungen die gleiche
Jahreszahl zeigen konnten. Seine Berufung darauf, man mache es ja im mündlichen Verkehr oft
ähnlich, verurteilt wohl diesen ganzen Erklärungsversuch als eine »faule Ausrede«.
Ich weiß nun nicht, ob meine Darstellung dem Leser irgendeinen Eindruck gemacht und ob sie
ihn in Stand gesetzt hat, sich für diese Winzigkeiten zu interessieren. Ich fand es unmöglich, den
richtigen Sachverhalt in unzweifelhafter Weise festzustellen, bin aber beim Studium dieser
verworrenen Angelegenheit auf eine Vermutung gekommen, die den Vorzug hat, den
natürlichsten Hergang einzusetzen, wenngleich die schriftlichen Zeugnisse sich auch ihr nicht
völlig fügen.
Ich meine, als der Maler zuerst nach Mariazell kam, sprach er nur von einer regelrecht mit Blut
1657
Schriften von Sigmund Freud
(1856–1939)
- Titel
- Schriften von Sigmund Freud
- Untertitel
- (1856–1939)
- Autor
- Sigmund Freud
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 21.6 x 28.0 cm
- Seiten
- 2789
- Schlagwörter
- Psychoanalyse, Traumdeutung, Sexualität, Angst, Hysterie, Paranoia, Neurologie, Medizin
- Kategorien
- Geisteswissenschaften
- Medizin