Seite - 1675 - in Schriften von Sigmund Freud - (1856–1939)
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Hans, 4¼ Jahre. Traum. Heute früh kommt Hans auf und erzählt: »Du, heute nachts habe ich
gedacht: Einer sagt: Wer will zu mir kommen? Dann sagt jemand: Ich. Dann muß er ihn Wiwi
machen lassen.«
Weitere Fragen stellten klar, daß diesem Traume alles Visuelle fehlt, daß er dem reinen type
auditif angehört. Hans spielt seit einigen Tagen mit den Kindern des Hausherrn, darunter seine
Freundinnen Olga (7 Jahre) und Berta (5 Jahre), Gesellschaftsspiele, auch Pfänderauslösen.
(A.: Wem gehört das Pfand in meiner Hand? B.: Mir. Dann wird bestimmt, was B. zu tun hat.)
Diesem Pfänderspiele ist der Traum nachgebildet, nur wünscht Hans, daß derjenige, der das
Pfand gezogen hat, nicht zu den usuellen Küssen oder Ohrfeigen verurteilt werde, sondern zum
Wiwimachen, oder genauer: jemand muß ihn Wiwi machen lassen.
Ich lasse mir den Traum noch einmal erzählen; er erzählt ihn mit denselben Worten, nur setzt er
anstatt: »dann sagt jemand« – »dann sagt sie«. Diese »sie« ist offenbar Berta oder Olga, mit
denen er gespielt hat. Der Traum lautet also übersetzt: Ich spiele mit den Mäderln
Pfänderauslösen. Ich frage: Wer will zu mir kommen? Sie (Berta oder Olga) antwortet: Ich. Dann
muß sie mich Wiwi machen lassen. (Beim Urinieren behilflich sein, was Hans offenbar
angenehm ist.)
Es ist klar, daß das Wiwimachenlassen, wobei dem Kinde die Hose geöffnet und der Penis
herausgenommen wird, für Hans lustbetont ist. Auf Spaziergängen ist es ja zumeist der Vater, der
dem Kinde diese Hilfe leistet, was Anlaß zur Fixierung homosexueller Neigung auf den Vater
gibt.
Zwei Tage vorher hat er, wie berichtet, die Mama beim Waschen und Einpudern der
Genitalgegend gefragt: »Warum gibst du nicht den Finger hin?« Gestern, als ich Hans auf die
Seite gehen ließ, sagte er mir zum erstenmal, ich solle ihn hinters Haus führen, damit niemand
zuschauen könne, und fügte hinzu: »Voriges Jahr, wie ich Wiwi gemacht habe, haben mir die
Berta und die Olga zugesehen.« Ich meine, das heißt, voriges Jahr war ihm dieses Zuschauen der
Mädchen angenehm, jetzt aber nicht mehr. Die Exhibitionslust unterliegt jetzt der Verdrängung.
Daß der Wunsch, Berta und Olga mögen ihm beim Wiwimachen zuschauen (oder ihn Wiwi
machen lassen), jetzt im Leben verdrängt wird, ist die Erklärung für dessen Auftreten im Traume,
in dem er sich die hübsche Einkleidung durch das Pfänderspiel geschaffen hat. – Ich beobachtete
seither wiederholt, daß er beim Wiwimachen nicht gesehen werden will.
Ich bemerke hiezu nur, daß auch dieser Traum sich der Regel fügt, die ich in der Traumdeutung
(S. 283
f., 7. Aufl.) gegeben habe: Reden, die im Traume vorkommen, stammen von gehörten
oder selbst gehaltenen Reden der nächstvorigen Tage ab.
Aus der Zeit bald nach der Rückkehr nach Wien hat der Vater noch eine Beobachtung fixiert:
Hans (4½ Jahre) sieht wieder zu, wie seine kleine Schwester gebadet wird, und fängt an zu
lachen. Man fragt ihn: »Warum lachst du?«
Hans: »Ich lache über den Wiwimacher der Hanna.« –
»Warum?« –
»Weil der Wiwimacher so schön ist.«
1675
Schriften von Sigmund Freud
(1856–1939)
- Titel
- Schriften von Sigmund Freud
- Untertitel
- (1856–1939)
- Autor
- Sigmund Freud
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 21.6 x 28.0 cm
- Seiten
- 2789
- Schlagwörter
- Psychoanalyse, Traumdeutung, Sexualität, Angst, Hysterie, Paranoia, Neurologie, Medizin
- Kategorien
- Geisteswissenschaften
- Medizin