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Schriften von Sigmund Freud - (1856–1939)
Seite - 2698 -
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damaligen Behandlung nicht mehr leisteten als die Erledigung des damaligen Konflikts, daß sie nicht auch einen Schutz gegen spätere Erkrankungen hinterlassen konnten, wird kein billig Denkender der analytischen Therapie zum Vorwurf machen. [12] Die Traumdeutung (1900), p. 68 [13] Einst übergab mir ein Kollege seine Schwester zur psychotherapeutischen Behandlung, die, wie er sagte, seit Jahren erfolglos wegen Hysterie (Schmerzen und Gangstörung) behandelt worden sei. Die kurze Information schien mit der Diagnose gut vereinbar; ich ließ mir in einer ersten Stunde von der Kranken selbst ihre Geschichte erzählen. Als diese Erzählung trotz der merkwürdigen Begebenheiten, auf die sie anspielte, vollkommen klar und ordentlich ausfiel, sagte ich mir, der Fall könne keine Hysterie sein, und stellte unmittelbar darauf eine sorgfältige körperliche Untersuchung an. Das Ergebnis war die Diagnose einer mäßig vorgeschrittenen Tabes, die dann auch durch Hg-Injektionen (Ol. cinereum, von Prof. Lang ausgeführt) eine erhebliche Besserung erfuhr. [14] Amnesien und Erinnerungstäuschungen stehen im komplementären Verhältnis zueinander. Wo sich große Erinnerungslücken ergeben, wird man auf wenig Erinnerungstäuschungen stoßen. Umgekehrt können letztere das Vorhandensein von Amnesien für den ersten Anschein völlig verdecken. [15] Bei zweifelnder Darstellung, lehrt eine durch Erfahrung gewonnene Regel, sehe man von dieser Urteilsäußerung des Erzählers völlig ab. Bei zwischen zwei Gestaltungen schwankender Darstellung halte man eher die erst geäußerte für richtig, die zweite für ein Produkt der Verdrängung. [16] Ich stehe zwar nicht auf dem Standpunkte, die einzige Ätiologie der Hysterie sei die Heredität, möchte aber gerade mit Hinblick auf frühere Publikationen (›L'hérédité et l'étiologie des nevroses‹, 1896 a), in denen ich den obigen Satz bekämpfe, nicht den Anschein erwecken, als unterschätzte ich die Heredität in der Ätiologie der Hysterie oder hielte sie überhaupt für entbehrlich. Für den Fall unserer Patientin ergibt sich eine genügende Krankheitsbelastung aus dem über den Vater und dessen Geschwister Mitgeteilten; ja, wer der Anschauung ist, daß auch Krankheitszustände wie der der Mutter ohne hereditäre Disposition unmöglich sind, wird die Heredität dieses Falles für eine konvergente erklären können. Mir erscheint für die hereditäre oder besser konstitutionelle Disposition des Mädchens ein anderes Moment bedeutsamer. Ich habe erwähnt, daß der Vater vor der Ehe Syphilis überstanden hatte. Nun stammt ein auffällig großer Prozentsatz meiner psychoanalytisch behandelten Kranken von Vätern ab, die an Tabes oder an Paralyse gelitten haben. Infolge der Neuheit meines therapeutischen Verfahrens fallen mir nur die schwersten Fälle zu, die bereits jahrelang ohne jeglichen Erfolg behandelt worden sind. Tabes oder Paralyse des Erzeugers darf man als Anhänger der Erb-Fournierschen Lehre als Hinweise auf eine stattgehabte luetische Infektion aufnehmen, welche in einer Anzahl von Fällen bei diesen Vätern auch von mir direkt festgestellt worden ist. In der letzten Diskussion über die Nachkommenschaft Syphilitischer (XIII. Internat. Medizin. Kongreß zu Paris, 2.-9. August 1900, Referate von Finger, Tarnowsky, Jullien u. a.) vermisse ich die Erwähnung der Tatsache, zu deren Anerkennung mich meine Erfahrung als Neuropathologe drängt, daß Syphilis der Erzeuger als Ätiologie für die neuropathische Konstitution der Kinder sehr wohl in Betracht kommt. [17] Über den wahrscheinlichen Anlaß dieser ersten Erkrankung s. weiter unten. 2698
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Schriften von Sigmund Freud (1856–1939)
Titel
Schriften von Sigmund Freud
Untertitel
(1856–1939)
Autor
Sigmund Freud
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
Abmessungen
21.6 x 28.0 cm
Seiten
2789
Schlagwörter
Psychoanalyse, Traumdeutung, Sexualität, Angst, Hysterie, Paranoia, Neurologie, Medizin
Kategorien
Geisteswissenschaften
Medizin
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