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die Traumarbeit unterliegt, und nehmen an, daß die primären Traumgedanken Zweifel und
Unsicherheit als kritische Leistung nicht kennen. Als Inhalte mögen sie natürlich, wie alles
andere, in den zum Traum führenden Tagesresten vorkommen. (S. Traumdeutung, 7. Aufl. 1922,
S. 386.)
[17] Die nämliche Steigerung aller Gefühlsregungen zum Extremen und Maßlosen gehört auch
der Affektivität des Kindes an und findet sich im Traumleben wieder, wo dank der im
Unbewußten vorherrschenden Isolierung der einzelnen Gefühlsregungen ein leiser Ärger vom
Tage sich als Todeswunsch gegen die schuldige Person zum Ausdruck bringt oder ein Anflug
irgendeiner Versuchung zum Anstoß einer im Traum dargestellten verbrecherischen Handlung
wird. Zu dieser Tatsache hat Dr. Hanns Sachs die hübsche Bemerkung gemacht: »Was der Traum
uns an Beziehungen zur Gegenwart (Realität) kundgetan hat, wollen wir dann auch im
Bewußtsein aufsuchen und dürfen uns nicht wundern, wenn wir das Ungeheuer, das wir unter
dem Vergrößerungsglas der Analyse gesehen haben, als Infusionstierchen wiederfinden.« (S.
Traumdeutung, 7. Aufl. 1922, S. 457)
[18] Beim kleinen Kinde bestehen zum Beispiel ambivalente Gefühlseinstellungen gegen die ihm
nächsten Personen lange Zeit nebeneinander, ohne daß die eine die ihr entgegengesetzte in ihrem
Ausdruck stört. Kommt es dann endlich zum Konflikt zwischen den beiden, so wird er oft
dadurch erledigt, daß das Kind das Objekt wechselt, die eine der ambivalenten Regungen auf ein
Ersatzobjekt verschiebt. Auch aus der Entwicklungsgeschichte einer Neurose beim Erwachsenen
kann man erfahren, daß eine unterdrückte Regung sich häufig lange Zeit in unbewußten oder
selbst bewußten Phantasien fortsetzt, deren Inhalt natürlich einer herrschenden Strebung direkt
zuwiderläuft, ohne daß sich aus diesem Gegensatz ein Einschreiten des Ichs gegen das von ihm
Verworfene ergäbe. Die Phantasie wird eine ganze Weile über toleriert, bis sich plötzlich einmal,
gewöhnlich infolge einer Steigerung der affektiven Besetzung derselben, der Konflikt zwischen
ihr und dem Ich mit allen seinen Folgen herstellt.
Im Fortschritt der Entwicklung vom Kinde zum reifen Erwachsenen kommt es überhaupt zu einer
immer weiter greifenden Integration der Persönlichkeit, zu einer Zusammenfassung der
einzelnen, unabhängig voneinander in ihr gewachsenen Triebregungen und Zielstrebungen. Der
analoge Vorgang auf dem Gebiet des Sexuallebens ist uns als Zusammenfassung aller
Sexualtriebe zur definitiven Genitalorganisation lange bekannt. (Drei Abhandlungen zur
Sexualtheorie, 1905 d.) Daß die Vereinheitlichung des Ichs übrigens dieselben Störungen
erfahren kann wie die der Libido, zeigen vielfache, sehr bekannte Beispiele wie das der
Naturforscher, die bibelgläubig geblieben sind, und andere. – Die verschiedenen Möglichkeiten
eines späteren Zerfalls des Ichs bilden ein besonderes Kapitel der Psychopathologie.
[19] S. Totem und Tabu.
[20] Vgl. den Text und das Literaturverzeichnis in B. Kraskovic jun. (1915).
[21] S. Walter Moede (1915).
[22] Instincts of the Herd in Peace and War (1916).
[23] Ich kann im Gegensatz zu einer sonst verständnisvollen und scharfsinnigen Kritik von Hans
Kelsen (1922) nicht zugeben, daß eine solche Ausstattung der »Massenseele« mit Organisation
eine Hypostasierung derselben, das heißt die Zuerkennung einer Unabhängigkeit von den
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Schriften von Sigmund Freud
(1856–1939)
- Titel
- Schriften von Sigmund Freud
- Untertitel
- (1856–1939)
- Autor
- Sigmund Freud
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 21.6 x 28.0 cm
- Seiten
- 2789
- Schlagwörter
- Psychoanalyse, Traumdeutung, Sexualität, Angst, Hysterie, Paranoia, Neurologie, Medizin
- Kategorien
- Geisteswissenschaften
- Medizin