Seite - 8 - in Friedensgutachten 2020 - Im Schatten der Pandemie: letzte Chance für Europa
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Veränderung politischer Prioritäten in der Folge der Corona-Pandemie werden möglicher-
weise die Pariser Klimaziele gefährden. Umso notwendiger ist es, auch unter den aktuellen
Bedingungen Maßnahmen aufrechtzuerhalten, um die bereits absehbaren langfristigen
negativen Folgen des Klimawandels für den Frieden abzuschwächen. Außerdem muss
Klimaschutz neben Sozialpaketen integraler Bestandteil der Programme zum Wiederaufbau
betroffener Ökonomien sein.
↘ AUSGESETZTE HUMANITÄT IST INHUMAN: ZIVILISTEN SCHÜTZEN
Die Corona-Pandemie verschärft die aktuelle globale Konfliktlage dramatisch, insbesondere
im globalen Süden. Es ist zu befürchten, dass die Verbreitung von COVID-19 internationale
Konflikte eskaliert, fragile Staaten weiter schwächt und vor allem die Lage der Zivilbevölke-
rung in Kriegsgebieten und die Situation von Geflüchteten drastisch verschlechtert. Überall
dort, wo viele Menschen auf engstem Raum und ohne ausreichende Hygiene zusammenle-
ben, muss mit einer schnellen Ausbreitung des Virus, steigenden Opferzahlen und dem
völligen Zusammenbruch einer ohnehin fragilen Ordnung gerechnet werden.
In der gegenwärtigen Lage sind Deutschland und die EU-Staaten vor allem mit sich selbst
beschäftigt. Humanitäre Initiativen, wie die geplante Aufnahme von Flüchtlingskindern,
wurden gedrosselt. Gleichzeitig gehen die Konflikte, wie etwa der Bürgerkrieg in Syrien,
unvermindert weiter. Nach massiven militärischen Angriffen im März 2020 auf zivile Einrich-
tungen in der Region Idlib drängten Flüchtende in das syrisch-türkische Grenzgebiet. Gleich-
zeitig erhöhte die Türkei den Flüchtlingsdruck auf Griechenland und damit die EU. Die Lage
in den Flüchtlingslagern, den syrischen, den türkischen und denen auf den griechischen
Ägäis-Inseln, verschärfte sich zusehends. Ein Ausbruch der Corona-Pandemie in diesen
Lagern, etwa dem Lager Moria auf Lesbos, das für 3.000 Menschen vorgesehen war, aber im
Frühjahr 2020 von rund 21.000 Menschen bewohnt wird, könnte sich zu einer humanitären
Katastrophe entwickeln.
Die Europäer sollten vor allem die externen Kräfte im Syrienkonflikt – Russland, den Iran und
die Türkei – zu einer Waffenruhe drängen, um die Lage um Idlib zu entspannen. Angesichts
des auch hier erwarteten Ausbruchs der Krankheit ist entscheidend, zunächst die grenz-
überschreitende humanitäre Hilfe langfristig sicherzustellen, dann aber, gleichsam im
Schatten von Corona, eine politische Lösung des Konflikts anzustreben. Ähnliches gilt für
andere Konflikte wie etwa in Afghanistan, Somalia, im Kongo, im Jemen oder in Mali.
Auch innerhalb der europäischen Grenzen bietet die Corona-Krise die Chance, mit starken
und mutigen Entscheidungen ein humanitäres Zeichen zu setzen: Mithilfe massiver EU-Unter-
stützung für Griechenland sollten die völlig überfüllten Flüchtlingslager auf den griechischen
Inseln aufgelöst und die Flüchtlinge in sichere Unterkünfte auf dem Festland gebracht
werden – mit Zugang zu Gesundheitseinrichtungen und -diensten. Gleichzeitig sollten die Zivilbevölkerung
in der Corona-Krise
schützen
Externe Kräfte im
Syrienkonflikt zu
Waffenruhe drängen
Flüchtlingslager in
Griechenland auflösen
8 2020 / Im Schatten der Pandemie: letzte Chance für Europa / STELLUNGNAHME
Friedensgutachten 2020
Im Schatten der Pandemie: letzte Chance für Europa
- Titel
- Friedensgutachten 2020
- Untertitel
- Im Schatten der Pandemie: letzte Chance für Europa
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-5381-0
- Abmessungen
- 21.0 x 28.5 cm
- Seiten
- 162
- Schlagwörter
- Frieden, Bewaffnete Konflikte, Sicherheit, Internationale Politik, Entwicklungszusammenarbeit, Krieg, Gewalt, Politik, Konfliktforschung, Globalisierung, Politikwissenschaft
- Kategorie
- Recht und Politik