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↘ LEHREN ZIEHEN AUS DER CORONA-KRISE: DIE MULTILATERALE ORDNUNG
Die Corona-Pandemie hat bestehende Trends zu nationalen Alleingängen und zur Schwä-
chung internationaler Kooperation verstärkt. Letzteres wird vor allem durch die Großmacht-
rivalitäten zwischen China, Russland und den USA vorangetrieben. Verschärft wird diese
Problematik durch den Aufstieg rechtspopulistischer Parteien in vielen Ländern Europas
und in den USA, die generell skeptisch gegenüber internationaler Kooperation sind und die
jeweiligen Regierungen davon abhalten, sich proaktiv für internationale Institutionen
einzusetzen.
Die Corona-Pandemie wirft ein Schlaglicht auf diese Krise internationaler Institutionen. Dies
lässt sich an den nationalen Alleingängen im Krisenmanagement aufzeigen, aber auch am
fehlenden Willen, angemessen mit der Weltgesundheitsorganisation WHO zu kooperieren.
Beispiele sind die mangelnde Informationsbereitstellung durch China, die Androhung der
Mittelzurückhaltung und die Schuldzuweisungen seitens der USA.
Die Krise kann aber auch zur Chance werden: In der gemeinsamen Krisenerfahrung wird
Solidarität erlebt, und für die langfristige Bewältigung der ökonomischen und sozialen
Folgen der Pandemie werden grenzüberschreitende Programme und Maßnahmen notwen-
dig sein. Für Europa kommt es jetzt darauf an, an dieser Gestaltung mitzuwirken. Dafür
braucht es einen strategischen Diskurs über nicht hintergehbare Kernnormen und einen
langen Atem. Auch China und Russland haben auf lange Sicht ein Interesse an einer stabilen
internationalen Rechtsordnung und sind zur Bewältigung der Corona-Krise auf internationa-
le Kooperation angewiesen. Chinas Wirtschaft profitiert von einem stabilen Freihandelsre-
gime und klaren Rechtsvorgaben. Angesichts der Containment-Strategie der USA, aber eben
auch infolge der immensen Kosten der Corona-Pandemie braucht China stabile Beziehun-
gen mit der EU, die einer seiner wichtigsten Handelspartner ist. Russland kann nicht mit
Chinas Wachstum und Dynamik mithalten, sodass ihm ebenfalls eine stabile internationale
Ordnung entgegenkommt, die seine Interessen und Rechte schützt. Die EU kann und muss
diese Chance nutzen, um ihre Vorstellungen 2020 in neue Impulse für Institutionen und
Kooperationsprojekte umzumünzen, die für Post-Corona-Zeiten belastbare Entwicklungs-
chancen und Grundrechteschutz ermöglichen.
↘ GRENZENLOSE HASSKULTUREN BEKÄMPFEN
Bei vielen Herausforderungen, wie dem Umgang mit dem Klimawandel und der Corona-Pan-
demie, ist das transnationale Element offensichtlich. Deutlich weniger hervorgehoben wird
die Transnationalität des Rechtsterrorismus und des Rechtsextremismus. Doch auch digitale
Hasskulturen wirken über nationale Grenzen hinweg. Um ihre Dynamik zu brechen, müssen
Staaten international kooperieren und rechtsfreie Räume schließen, in denen zur Militanz
aufgerufen wird. Corona-Pandemie
wirft Schlaglicht auf
die Krise internationa-
ler Zusammenarbeit
China und Russland
in Bemühungen um
internationale Koope-
ration einbeziehen 11
friedensgutachten / 2020
Friedensgutachten 2020
Im Schatten der Pandemie: letzte Chance für Europa
- Titel
- Friedensgutachten 2020
- Untertitel
- Im Schatten der Pandemie: letzte Chance für Europa
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-5381-0
- Abmessungen
- 21.0 x 28.5 cm
- Seiten
- 162
- Schlagwörter
- Frieden, Bewaffnete Konflikte, Sicherheit, Internationale Politik, Entwicklungszusammenarbeit, Krieg, Gewalt, Politik, Konfliktforschung, Globalisierung, Politikwissenschaft
- Kategorie
- Recht und Politik