Seite - 12 - in Friedensgutachten 2020 - Im Schatten der Pandemie: letzte Chance für Europa
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Wie sich die Corona-Krise auf die Entwicklung des Rechtsextremismus auswirkt, ist im
Frühjahr 2020 zwar noch nicht absehbar. Doch lassen sich zumindest in Deutschland zwei
Tendenzen identifizieren: Einerseits warnte der Verfassungsschutz davor, rechtsextreme
Ideologen könnten versuchen, über Verschwörungstheorien Unterstützung zu mobilisieren
und Migranten als vermeintliche Infektionsträger zu Sündenböcken in der Krise zu machen.
Andererseits bietet die bislang umsichtige Politik der „etablierten“ Parteien eine nicht zu
unterschätzende Möglichkeit, bei Teilen der Bevölkerung verlorenes Vertrauen in die Funk-
tionsfähigkeit demokratischer Institutionen wiederzugewinnen.
Die Entwicklungen rechter Gewalt in den vergangenen Jahren sind nicht ohne die gezielte
Nutzung der sozialen Medien durch die extreme Rechte zu verstehen. Auch wenn es welt-
weit einen abnehmenden Trend terroristischer Anschläge und ihrer Opfer gibt, sind die
Zahlen noch immer hoch. Besorgniserregend ist, dass sich in den vergangenen Jahren die
Zahl opferreicher terroristischer Angriffe durch rechtsextreme Täter deutlich erhöht hat.
Auch wenn solche Taten von operativen Einzeltätern begangen werden, finden sie im
Kontext sprachlicher Verrohung, Delegitimierung und offener Feindschaft gegenüber
Minderheiten, „Eliten“, „Altparteien“ und demokratischen Verfahren statt.
Die Bekämpfung des Rechtsextremismus, des Rechtsterrorismus und des ihm zugrundelie-
genden Rassismus ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Maßnahmen zur Demokratie-
förderung auf kommunaler, Länder- und Bundesebene müssen hierbei zusammenwirken.
Schulen, Kommunalparlamenten, Vereinen und Verbänden müssen mehr Mittel an die Hand
gegeben werden, damit sie eine angemessene Auseinandersetzung mit dem Rechtsextre-
mismus führen und ausreichende Aufklärungs- und Fürsorgeangebote zur Verfügung stellen
können. Aufstieg rechter Ge-
walt beruht auch auf
gezielter Nutzung der
sozialen Medien durch
die extreme Rechte
SCHLUSSFOLGERUNGEN
Die Corona-Pandemie ist 2020 das bestimmende Thema. Dennoch müssen andere globa-
le Gefahren für den Frieden auf der politischen Agenda bleiben. Nicht nur die Pandemie
selbst und ihre ökonomischen, sozialen und politischen Effekte gefährden menschliche
Sicherheit und Frieden; in ihrem Schatten verschärfen sich zudem andere Friedensgefähr-
dungen.
Die Corona-Pandemie muss aber nicht nur als Krise für das globale Ringen um den Frie-
den betrachtet werden, sie kann auch eine Chance sein für einen Neustart vieler Bemü-
hungen, den Frieden zu stärken. Im Frühjahr 2020 sind nationale Alleingänge die Regel;
doch schon jetzt und mit guten Gründen werden die Rufe nach europäisch und global
konzertierten Aktionen immer lauter. Dazu zählen beispielsweise die Kooperation in der
Produktion und Weitergabe von Schutzutensilien, in der Medikamentenerprobung und in
der Bewältigung der ökonomischen und sozialen Folgen der Pandemie.
12 2020 / Im Schatten der Pandemie: letzte Chance für Europa / STELLUNGNAHME
Friedensgutachten 2020
Im Schatten der Pandemie: letzte Chance für Europa
- Titel
- Friedensgutachten 2020
- Untertitel
- Im Schatten der Pandemie: letzte Chance für Europa
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-5381-0
- Abmessungen
- 21.0 x 28.5 cm
- Seiten
- 162
- Schlagwörter
- Frieden, Bewaffnete Konflikte, Sicherheit, Internationale Politik, Entwicklungszusammenarbeit, Krieg, Gewalt, Politik, Konfliktforschung, Globalisierung, Politikwissenschaft
- Kategorie
- Recht und Politik