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Die Folgen des Klimawandels für Konflikte, Sicherheit, Krieg und Frieden sind kom-
plex und widersprüchlich. Zum einen gefährdet der Klimawandel Menschen und
Gesellschaften in vielen Teilen der Erde, was als Bedrohung von Sicherheit und Frie-
den interpretiert werden kann, verbunden mit Spannungen in und zwischen Staaten.
Zum anderen müssen Umweltveränderungen aufgrund des Klimawandels nicht
notwendig friedliches menschliches Zusammenleben erschweren und die gesell-
schaftliche Stabilität untergraben. Im Gegenteil können die Herausforderungen des
Klimawandels Anstöße für Zusammenarbeit und kooperative Strukturen geben,
um massive Folgen des Klimawandels zu vermeiden und Klimakrisen zu bewälti-
gen. Insbesondere die lokalen Folgen in Regionen, die besonders vom Klimawandel
betroffen sind, müssen bewältigt werden. Allgemein gilt: Kooperation, lokal wie
national und international, ist eine Voraussetzung für die Begrenzung des Klima-
wandels, während Konflikte das Ausmaß der Klimakrise verschärfen.
Vereinfachende Annahmen und einseitige Wahrnehmungen, dass der Klimawandel
notwendig zu mehr Gewalt und Krieg führe, sind nicht haltbar. Sie befördern die Ge-
fahr einer Versicherheitlichung und Militarisierung nicht nur der Klimapolitik, son-
dern auch benachbarter Politikfelder. Dies ist aktuell für Europa vor allem ablesbar an
der Migrationspolitik, die auch mit der wissenschaftlich nicht belegbaren Furcht vor
Massen von „Klimaflüchtlingen“ aus Afrika und Nahost begründet wird und Abschot-
tungstendenzen erhöht (→ Boas et al. 2019).
Traditionelle sicherheitspolitische Instrumente, insbesondere Rüstung und Militär,
sind für die Bewältigung der Klimakrise ungeeignet, belasten die Umwelt und stehen
einer friedlichen Konfliktlösung im Weg. Gefordert sind Politiken und Instrumente,
mit denen eine kooperative Bewältigung des Klimaproblems und eine nachhaltige
Friedenssicherung erfolgen kann. Dafür ist es notwendig, die jeweiligen Kontextbedin-
gungen für den Einfluss der globalen Erwärmung auf Konfliktpotenziale zu analysie-
ren und mögliche Synergien verschiedener Politikfelder zu nutzen. Prävention ist nötig
und möglich, weil Klimarisiken oftmals indirekt und über längere Kausalketten auf
Frieden und Sicherheit einwirken. Dies erfordert eine differenzierte und der Komplexi-
tät angemessene Behandlung des Klimawandels als Klimafriedenspolitik.
KLIMAWANDEL ALS SICHERHEITSRISIKO?
Die Folgen des Klimawandels sind noch nicht umfassend absehbar. Zu unsicher ist,
wie weit die globale Erwärmung gehen wird und welche Anpassungsmaßnahmen
vorgenommen werden. Alles deutet darauf hin, dass ohne tiefe Einschnitte bei den
Treibhausgasemissionen die Folgen gravierend sein werden. Denn schon der aktuelle
Anstieg der globalen Mitteltemperatur um ca. 1° Celsius (im Vergleich zum Referenz-
zeitraum 1850 bis 1900) (→ IPCC 2018) hat erhebliche Auswirkungen in zahlreichen
Regionen. Grundsätzlich lassen sich zwei Formen unmittelbarer Folgen des Klima-
wandels unterscheiden: langfristige Veränderungen von Temperatur, Niederschlag und
Traditionelle sicher-
heitspolitische
Instrumente sind für
die Bewältigung der
Klimakrise ungeeignet
F
28 2020 / Friedenspolitik in Zeiten des Klimawandels / FOKUS
Friedensgutachten 2020
Im Schatten der Pandemie: letzte Chance für Europa
- Titel
- Friedensgutachten 2020
- Untertitel
- Im Schatten der Pandemie: letzte Chance für Europa
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-5381-0
- Abmessungen
- 21.0 x 28.5 cm
- Seiten
- 162
- Schlagwörter
- Frieden, Bewaffnete Konflikte, Sicherheit, Internationale Politik, Entwicklungszusammenarbeit, Krieg, Gewalt, Politik, Konfliktforschung, Globalisierung, Politikwissenschaft
- Kategorie
- Recht und Politik