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von Oppositionsparteien, Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Organisationen
zusammenbringt. Die Unterstützung aus allen gesellschaftlichen Gruppen führt zu
einem großen Mobilisierungspotenzial. In Algerien sind etwa geschätzte drei Mio.
Menschen, was 10 % der Gesamtbevölkerung ausmacht, gegen Präsident Bouteflika
auf die Straße gegangen. Auch in Hongkong beteiligten sich Millionen an den Protes-
ten, bei einer Gesamtbevölkerung von 7,4 Mio.; insgesamt sollen es zwischen 13 bis
27 % der Bevölkerung gewesen sein.
Neben einer großen Unterstützung zeichnet diese Protestbewegungen in vielen Fällen
eine langhaltende Mobilisierung aus. In Hongkong gehen Demonstranten seit Juni
2019 auf die Straße, und der Ruf nach Reformen treibt die Menschen in Algerien seit
Februar 2019 nach draußen. Die langen Mobilisierungszeiträume haben in vielen
Fällen dem Zuspruch der Protestbewegungen nicht geschadet. Dies ist bemerkens-
wert, da die Unterstützung für eine Protestbewegung mit der Zeit oft abnimmt,
wenn Erfolge ausbleiben und gleichzeitig die Unsicherheiten im Hinblick auf die
eigene Sicherheit und das Einkommen zunehmen. Die Mobilisierung auf der Straße
konnte in vielen Ländern auch nach dem erfolgten Sturz der Machthaber aufrechter-
halten werden, so etwa in Algerien nach dem Rücktritt von Präsident Bouteflika im
April 2019. Erfahrungen in Ägypten nach 2011 zeigten jedoch, dass eine große Anzahl
von Protesten nach dem Sturz eines Machthabers auch problematische Wirkungen
haben kann. So brachte eine Mehrheit der ägyptischen Bevölkerung, die in Gebieten
mit einer hohen Zahl von Protesten im Jahr nach dem erzwungenen Rücktritt von Mu-
barak lebte, Demokratie mit sozio-ökonomischen Risiken, unentschlossener Führung
und Instabilität in Zusammenhang (→ Ketchley/El-Rayyes 2019).
Das hohe Mobilisierungspotenzial wird durch die Verbreitung sozialer Medien erleich-
tert. So werden in vielen Ländern zur Koordinierung der Proteste Messengerdienste
benutzt, die nur schwer von staatlicher Seite zu kontrollieren oder abzuschalten sind
(z.B. Bridgefy App). Die Internetseite „hkmap.live“ etwa bietet Aktivisten in Hongkong
Informationen zu den aktuellen Standorten von Sicherheitskräften in der Stadt. Die
Aktivisten konnten auf diese Weise einer Konfrontation mit der Polizei ausweichen
oder sie gezielt suchen. Das hkmap-Beispiel zeigt jedoch auch, dass Regierungen
Druck auf die Betreiber von Webseiten und Messengerdiensten in ihrem Sinne aus-
üben können. So führte der Druck der chinesischen Regierung auf Apple dazu, dass
der Konzern die App aus seinem App-Store nahm und so die Koordination der Pro-
teste erschwerte. Von einer Abschaltung des Internets durch das Regime, wie etwa im
Fall von Sudan oder Iran, ganz zu schweigen. Die Massenprotestbe-
wegungen zeichnete
2019 eine langanhal-
tende Mobilisierung
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friedensgutachten / 2020
Friedensgutachten 2020
Im Schatten der Pandemie: letzte Chance für Europa
- Titel
- Friedensgutachten 2020
- Untertitel
- Im Schatten der Pandemie: letzte Chance für Europa
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-5381-0
- Abmessungen
- 21.0 x 28.5 cm
- Seiten
- 162
- Schlagwörter
- Frieden, Bewaffnete Konflikte, Sicherheit, Internationale Politik, Entwicklungszusammenarbeit, Krieg, Gewalt, Politik, Konfliktforschung, Globalisierung, Politikwissenschaft
- Kategorie
- Recht und Politik