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die jüngste Überarbeitung des Gemeinsamen Standpunkts der EU zu Rüstungsex-
porten 2019 kaum nennenswerte Verbesserungen. Daher besteht bei der Europäisie-
rung von Rüstungsvorhaben die Gefahr, dass deutsche Exportregelungen umgangen
werden, indem Deutschland Rüstungskomponenten liefert, die fertigen Waffensys-
teme aber andere Staaten exportieren. Bislang behielt sich die Bundesregierung vor,
Einwände gegen bestimmte Exporte zu erheben. In ihren überarbeiteten Politischen
Grundsätzen zum Rüstungsexport vom Juni 2019 deutet sie jedoch an, solche Einwän-
de nur noch geltend zu machen, wenn der deutsche Anteil einen bestimmten Prozent-
satz überschreitet. Mit Frankreich wurden Sätze von 20 % vereinbart (→ GKKE 2020).
Die Aushebelung der deutschen Rüstungsexportkontrolle ist zu befürchten. Um Rüs-
tungsexporten nicht Tür und Tor zu öffnen, sollten sich die EU-Staaten bei gemein-
samen Rüstungsprojekten vorab auf eine Liste möglicher Empfängerländer einigen,
die entsprechend den Kriterien des Gemeinsamen Standpunkts der EU unbedenklich
sind. Bei relevanten Veränderungen in einem der Länder muss die Liste angepasst
werden.
RÜSTUNGSKONTROLLREGIME
Abhängig von Waffenart und -system sind der Stand, die Ausrichtung sowie die Aus-
differenziertheit der Kontrollregime recht unterschiedlich. An dieser Stelle gibt das
FGA einen Überblick über die jüngsten Entwicklungen.
Nuklearwaffen: Russland und die USA setzen die nukleare Rüstungskontrolle er-
heblich unter Druck. Der INF-Vertrag über die Abrüstung landgestützter Mittelstre-
ckenwaffen lief am 2. August 2019 aus, nachdem Washington sechs Monate zuvor
den Austritt erklärt hatte. Vorwürfe der NATO, dass Russland neue nuklearfähige
Marschflug körper stationiert, sind ungeklärt. Russland und die USA entwickeln
neuartige Nuklearwaffen. Alle neun Atomwaffenbesitzer modernisieren ihre Nuklear-
arsenale. Der New START-Vertrag über die Begrenzung strategischer Waffen ist der
letzte verbliebene nukleare Rüstungskontrollvertrag. Er läuft am 5. Februar 2021
aus, sofern Russland und die USA nicht die im Abkommen vorgesehene Option einer
Verlängerung der Vertragsdauer von bis zu fünf Jahren nutzen. Russland ist zu einem
solchen Schritt bereit, die USA zögern.
Am 7. Februar erneuerte der französische Präsident Emmanuel Macron in einer
Grundsatzrede zur Nuklearpolitik das Angebot, die französische force de frappe in
den Dienst Europas zu stellen. Er lud die europäischen Partner zu einem strategischen
Dialog über die Rolle der französischen Atomwaffen in der europäischen Sicherheit
und zur Teilnahme an Atomübungen ein. Allerdings lehnte er jede Form der europäi-
schen Mitsprache an der französischen Nuklearwaffenpolitik ab. Deutsche Entschei-
dungsträger wollen die Einladung zu einem strategischen Dialog annehmen. Nukleare Rüstungs-
kontrolle unter Druck 3
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friedensgutachten / 2020
Friedensgutachten 2020
Im Schatten der Pandemie: letzte Chance für Europa
- Titel
- Friedensgutachten 2020
- Untertitel
- Im Schatten der Pandemie: letzte Chance für Europa
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-5381-0
- Abmessungen
- 21.0 x 28.5 cm
- Seiten
- 162
- Schlagwörter
- Frieden, Bewaffnete Konflikte, Sicherheit, Internationale Politik, Entwicklungszusammenarbeit, Krieg, Gewalt, Politik, Konfliktforschung, Globalisierung, Politikwissenschaft
- Kategorie
- Recht und Politik