Seite - 125 - in Friedensgutachten 2020 - Im Schatten der Pandemie: letzte Chance für Europa
Bild der Seite - 125 -
Text der Seite - 125 -
Innerhalb der VN zeigen sich aber auch charakteristische Unterschiede zwischen
Chinas und Russlands Institutionenpolitik. Während Russland eher durch Blockade-
politik auffällt, engagiert sich China innerhalb der Institutionen. So hat China anders
als Russland sein Engagement in VN-Friedensmissionen in den vergangenen Jahren
deutlich ausgebaut und ist mit aktuell 2.544 entsandten Personen (Stand 31.1.2020)
in die Top 10 der truppenstellenden Staaten eingezogen und stellt alleine mehr als
anderthalbmal so viel Personal wie die anderen ständigen Sicherheitsratsmitglieder
zusammen.
Beide Staaten kooperieren schließlich in bestehenden Regionalorganisationen und
regionalen Initiativen. Innerhalb der Shanghai Cooperation Organisation (SCO) hat
China seit 2010 von Russland die Führungsrolle übernommen und sie im Tandem mit
seiner Seidenstraßeninitiative zum Instrument seiner Entwicklungsagenda gemacht.
Inzwischen hat sich die SCO weitgehend unbemerkt zu einem neuen Regionalbündnis
transformiert, das nicht nur die Region Zentralasien zu koordinieren beansprucht,
sondern auch eigene Ordnungs- und Sicherheitsentwürfe, etwa für Afghanistan und
Pakistan, vorlegt. Zudem verständigten sich Putin und Xi auf die strategische Zusam-
menführung der von Russland vorangetriebenen Eurasischen Wirtschaftsunion (ge-
meinsamer Zoll- und Wirtschaftsraum, dem neben Russland Armenien, Kasachstan,
Kirgisien und Weißrussland angehören) und der chinesischen Neuen Seidenstraße
(→ Kaczmarski 2017). Sie stellen den von den USA (vor Trump) und Japan propagier-
ten Freihandelsabkommen damit eigene Ordnungsmodelle entgegen.
Diese Entwicklungen sind nicht zu verstehen, ohne die Politik der „alten“ Führungs-
macht einzubeziehen: der USA. Der Rückzug der USA aus internationalen Instituti
onen
öffnete erst die Räume, in denen China und Russland ihre alternativen Vorstellungen
durchsetzen können. Darüber hinaus ist es aber auch die offensive Blockadepolitik der
USA in internationalen Institutionen, die diese schwächt. Chinas und Russlands
Erfolge, die Menschenrechtspolitik der VN zurückzudrehen, ist auch Folge des Rück-
zugs der USA sowohl aus dem VN-Menschenrechtsrat im Juni 2018 als auch aus der
UNESCO Ende 2018. Notorisch drohen die USA zudem, den VN den Geldhahn zuzu-
drehen. Auch die Blockade innerhalb des Sicherheitsrats ist nicht allein auf China
und Russland zurückzuführen, sondern auch durch die USA bedingt, die nach wie vor
außerhalb des humanitären Völkerrechts und des VN-Sicherheitsrats zu militärischen
Maßnahmen greifen. Das gleiche gilt für den Freihandelsbereich, in dem nicht China,
sondern die USA die WTO nachhaltig schwächen, weil die US-Administration zuneh-
mend auf bilaterale Handelsverträge setzt, die WTO-Regeln durch Strafzölle in bilate-
ralen Konflikten offensiv verletzt und nicht zuletzt das Streitschlichtungspanel der
WTO systematisch finanziell und organisatorisch aushungert. Hinzu tritt jüngst die
WHO, der die USA im April 2020 wegen ihrer Handhabung der Corona-Pandemie ihre
Mitgliedsbeiträge vorenthält. Rückzug der USA aus
internationalen Ins-
titutionen ermöglicht
größeren Einfluss
Chinas und Russlands 4
125
friedensgutachten / 2020
Friedensgutachten 2020
Im Schatten der Pandemie: letzte Chance für Europa
- Titel
- Friedensgutachten 2020
- Untertitel
- Im Schatten der Pandemie: letzte Chance für Europa
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-5381-0
- Abmessungen
- 21.0 x 28.5 cm
- Seiten
- 162
- Schlagwörter
- Frieden, Bewaffnete Konflikte, Sicherheit, Internationale Politik, Entwicklungszusammenarbeit, Krieg, Gewalt, Politik, Konfliktforschung, Globalisierung, Politikwissenschaft
- Kategorie
- Recht und Politik