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nAchWort
Probleme mit Sturm und Erdbeben
Schon bei den kurzen Hängebrücken aus vergäng-
lichem Material sah der Autor oft zwei relativ dünne
Stricke, die etwa unter 45° abgewinkelt die Brücken-
mitte auf beiden Seiten mit den zwei Ufern verbanden.
Meist waren es nur zwei Stricke und diese ergaben
eine Art Diagonale über den Fluss, die nur durch die
Lauffläche unterbrochen war. Die Stricke waren offen-
bar ein Mittel gegen das Schwingen bei Wind und
Sturm.
Das Problem des Schwingens bei Stürmen muss bei
den immer größer werdenden Spannweiten jüngs-
ter Hängebrücken in Japan und besonders bei der
geplanten Hängebrücke von Messina nach Sizilien
sehr aufwendig berechnet und in sehr kostspieligen,
riesigen Modellversuchen im Windkanal möglichst
nach den ersten Kettenbrücken vorgenommen wurde,
legt auch die sehr weite Verbreitung derartiger Hänge-
brücken im Himalaya und in den östlich angrenzenden
gebirgigen Regionen nahe. Aber bei vielen dieser Brü-
cken verliefen wohl die Laufflächen unterhalb immer
noch durchhängend, also noch nicht gradlinig wie bei
unseren modernen Hängebrücken. Es gibt ungezählte
Berichte über die Verwendung von Kettenbrücken in
Asien aus unterschiedlichen Jahrhunderten. Die heute
noch genutzte Kettenbrücke in Budapest schließt zu-
sammen mit einigen anderen diese Tradition vielleicht
bereits endgültig ab.
Heutige Stahlkabel sind möglicherweise noch dauer-
hafter und können noch wesentlich weiter gespannt
werden. Zu Beginn versuchte Joseph Chaley in der
Schweiz im frühen 19. Jh. die Ketten von einst durch
geschmiedete nur 3 mm dünne Schmiedeeisendrähte
zu ersetzen, von denen er über tausend für nur ein Kabel
miteinander verband. Für die Umleitung der Kabel auf
den zwei Portaltürmen entwickelte er ein System von
Überleitungsrollen, damit es bei den nun durchlaufenden
dünnen Schmiedeeisenstäben zu keinem Bruch kommt.
Bald nach ihm kamen die noch tragfähigeren Stahl-
seilkabel auf den Markt. Die heutige Entwicklung vor
allem in Richtung Zugbeanspruchbarkeit und auch die
Technik der Tragkabelhandhabung während des Baues
von Hängebrücken wurden stetig weiter gesteigert, um
immer größere Distanzen überbrücken zu können. ausgeschlossen werden. Der Einsturz der Tacoma Nar-
rows Hängebrücke in den USA mit einer freien Spann-
weite von “nur“ 853 m im Jahr 1940 knapp nach ihrer
Fertigstellung bei einer Windgeschwindigkeit von “nur“
68 km/h durch Torsionsschwingungen, die sich auf-
schaukelten, bis die Brücke zerbrach und abstürzte, ist
seitdem allen Konstrukteuren von Hängebrücken eine
massive Warnung. Von diesem Brückeneinsturz gibt
es sogar eine Filmaufnahme in Schwarzweiß. Aber
auch die neuen Brücken sind nicht alle vor Torsions-
schwingungen und Eigenfrequenzschwingungen ganz
sicher, wie immer wieder jüngste Filmaufnahmen von
Brückenbenützern auf Hängebrücken der letzten 30
Jahre zeigen.
Eine weitere Herausforderung ist das seismische Stand-
ortrisiko. Viele der sehr weit gespannten Hängebrücken
auf unserem Globus stehen an geologischen Bruch-
zonen oder im Nahbereich von Subduktionszonen. Sie
werden also durch seismische Aktivitäten wie Erdbeben
und deren Zwangsschwingungen und Untergrundver-
schiebungen bedroht. Viele bereits bestehende und
auch geplante Hängebrücken mit sehr großen Spann-
weiten sind dadurch gefährdet. So wurden die Konst-
rukteure der Akashi-Kaikyo-Hängebrücke, der bislang
längsten Hängebrücke mit 1990 m freier Spannweite
zwischen den zwei 297,3 m hohen Pylonen und einer
Gesamtlänge von 3911 m während der Bauzeit zwi-
schen 1988 und 1998 vom verheerenden Erdbeben
um Kobe 1995 überrascht. Die Distanz zwischen
den zwei hohen Pylonen nahm damals um rund einen
Meter zu. Da die Fahrbahnen noch nicht fertiggestellt
waren, konnte also relativ einfach ein zusätzlicher Lauf-
meter Brücke ergänzt werden. Die noch nicht gebaute
Hängebrücke über die Meerenge bei Messina vom ita-
lienischen Festland nach Sizilien sollte sogar eine freie
Spannweite zwischen den Pylonen von 3300 m auf-
weisen. Auch hier liegt eine geologische Bruchzone
unter der geplanten Brücke.
Lebende Baumaterialien
Spannend ist ein innovativer Ansatz vor Jahrhunderten
im Zusammenhang mit Hängebrücken aus vergäng-
lichen Materialien. Gleich an mehreren Stellen in Süd-
ost- und Ostasien in sehr regenreichen Gebieten war
man auf der Suche nach nachhaltigeren, länger halt-
baren Brückenbaumaterialien. Die faszinierende Idee
Frühe Brücken
Zug- oder druckbeanspruchte Konstruktionen, kreative, innovative und interessante Brücken
- Titel
- Frühe Brücken
- Untertitel
- Zug- oder druckbeanspruchte Konstruktionen, kreative, innovative und interessante Brücken
- Autor
- Hasso Hohmann
- Verlag
- Technische Universität Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-85125-833-2
- Abmessungen
- 20.0 x 27.0 cm
- Seiten
- 306
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen