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Frühe Brücken
war und ist auch heute noch in manchen Zonen Süd-
ostasiens, lebendes Baumaterial zu verwenden, da es
nicht verrottet, solange es lebt. Eines der Zentren von
derartigen Brücken aus lebenden Baustoffen ist Nord-
ostindien in der Provinz Meghalaya. Der Bau derartiger
Brücken braucht zwar sehr lange und ist prozesshaft,
die Brücken halten dann aber auch oft Jahrhunderte.
Auch im nordostindischen Nagaland und auf mehreren
Inseln Indonesiens gibt es an verschiedenen Stellen der-
artige Brücken. Theoretisch ist es natürlich möglich, dass
die Idee dazu an mehreren Stellen unabhängig ent-
wickelt wurde. Wahrscheinlicher allerdings dürfte die
Verbreitung dieser Idee durch Techniktransfer auf dem
Land- und Seeweg gewesen sein. Sonst hätten sich viel-
leicht auch in der Neuen Welt in anderen sehr regen-
reichen Gegenden derartige Brücken unabhängig ein
zweites Mal entwickeln können.
In Japan auf der Insel Shikoku im Iya Tal gibt es von den
lebenden Brücken in Nordostindien eine Abwandlung.
Bei ihren Brücken sind etliche der aus geernteten Wein-
ranken geflochtenen Taue über hohe, stützende Bäume
an den Ufern des Iya-Flusses geschlungen. Sie tragen
die Brücken. Die Laufflächen hingegen bestehen aus
bereits verarbeitetem, also totem Holz, aus dem Stütz-
holz von einst lebenden Bäumen. Daher kann man
diese Konstruktionen wohl nur als halblebende Brü-
cken bezeichnen. Die Professur für “Green Techno-
logies in Landscape Architecture“ an der Technischen
Universität München unter Ferdinand Ludwig befasst
sich schon seit längerem mit lebenden Brücken mit dem
Ziel, diese Techniken auch für Funktionen unserer Zeit
weiterzuentwickeln.
Brücken mit Kragkonstruktionen
Mit Schein- oder Kraggewölbebrücken aus Stein kann
man nur wenige Meter überbrücken. Die hellenistische
Brücke bei Eleutherna auf Kreta ist eine reine Schein-
gewölbekonstruktion. Sie hat eine Spannweite von
3,95 m. Der große Bogen von Kabah im mexikanischen
Yucatán misst nur 4,26 m. Bei ihm wurde allerdings
schon sehr viel abbindender Kalkmörtel verwendet,
der das Gewölbe fast schon zu einem Monolithen ab-
binden ließ, was bei dem weichen Kalkstein der Re-
gion sicher auch notwendig war. Die Länge der wohl
längsten Brücke mit einer Scheingewölbekonstruktion
wird von Victor v. Hagen für eine Brücke in Carabaya Brücken mit Schlusssteinbögen
Einen wirklichen Quantensprung nicht alleine in der
Brückenbautechnik, sondern allgemein in der Baukunst-
geschichte erbrachte die schon sehr frühe Erfindung
des Schlusssteinbogens und -gewölbes in der Zeit um
3000 v.Chr. in Ägypten und im Iran. Man konnte plötz-
lich aus einem sehr beständigen Baumaterial, also aus
Stein oder dem gebrannten Ziegel, bis zu über 40 m
große Distanzen tragfähig überspannen. Spannweiten
von 30 m waren seitdem überhaupt kein Kunststück
mehr. Man denke auch an das fast 2000 Jahre alte
Pantheon in Rom mit 43,5 m Durchmesser oder die fast
1500 Jahre alte Hagia Sophia im ehemals christlichen
Konstantinopel, dem heutigen Istanbul mit einem rund
30 m breiten und 60 m langen stützenfreien Gebets-
raum oder an die riesigen römischen Thermenbauten im
gesamten Imperium Romanum, vor allem im antiken Rom
und bei Neapel. In Luxemburg erreicht eine gemauerte
Bogenbrücke sogar etwa 85 m freie Spannweite.
Interessanterweise kannten auch die Neuweltlichen
Kulturen bereits früh in vorkolumbischer Zeit das
Schlusssteingewölbe. Es gibt bei den Maya beispiels-
weise in Calakmul mindestens zwei Tonnengewölbe,
die schon aus der Zeit knapp nach dem Beginn unse-
rer Zeitrechnung stammen. Auch in Südamerika findet
sich bei einer Chullpa in Obrajes in Bolivien ein klei-
nes vorkolumbisches Tonnengewölbe mit keilförmigen
Lehmziegeln. Es gibt weitere Beispiele in Meso- und
Südamerika für die sehr seltene Verwendung des
Schlusssteinbogens und Schlusssteingewölbes, meist in
Stein ausgeführt.
Warum diese geniale Technik aber in der Neuen
Welt nur extrem selten verwendet und im Brücken-
bau wohl überhaupt nie eingesetzt wurde, ist ein wohl
immer noch nicht befriedigend beantwortetes Rätsel.
in Peru mit 9 m angegeben. Bei dieser wurden offen-
bar sehr dünne, tragfähige Natursteinplatten verwendet.
Die gleiche Konstruktionsweise mit Holzbalken haben
Brückenbaumeister in manchen asiatischen Ländern
schon in der Vergangenheit ausgereizt. Das ermög-
lichte natürlich einen Quantensprung bei den Spann-
weiten. Man konnte plötzlich in dieser Konstruktions-
weise Spannweiten von bis zu 40 m überbrücken.
Frühe Brücken
Zug- oder druckbeanspruchte Konstruktionen, kreative, innovative und interessante Brücken
- Titel
- Frühe Brücken
- Untertitel
- Zug- oder druckbeanspruchte Konstruktionen, kreative, innovative und interessante Brücken
- Autor
- Hasso Hohmann
- Verlag
- Technische Universität Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-85125-833-2
- Abmessungen
- 20.0 x 27.0 cm
- Seiten
- 306
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen