Seite - 22 - in Generative Bildarbeit - Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
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1 Methodologie
„Beginnen wir also mit der Skizze einer Methodologie, die unsere
Erkenntnis nicht zu einer Zwangsjacke, sondern zu einer Hilfe für die
freie Entwicklung aller Menschen macht, oder, wie sich ein überzeug-
ter Rationalist ausdrücken würde, beginnen wir mit der Darlegung der
‚Elemente eines theoretischen Anarchismus‘“. (Feyerabend 2013: 19)
In meiner wissenschaftlichen Sozialisierung habe ich mich zumeist, durch
meine Auseinandersetzung mit dem Visuellen und der Fotografie, zwischen
Kultur- und Sozialwissenschaften hin und her bewegt. Durch mein Grund-
studium der Internationalen Entwicklung an der Philologisch-Kulturwissen-
schaftlichen Fakultät der Universität Wien und mein Doktoratsstudium
an der Fakultät für Nachhaltigkeitswissenschaften der Leuphana-Universität
Lüneburg gehöre ich mit meiner Arbeit keiner expliziten Wissenschafts-
disziplin an. Ich bezeichne mein wissenschaftliches Feld in Anlehnung an
W. J. T. Mitchell als undiszipliniertes Feld (2003). Mitchell beschreibt die Undis-
ziplin, mit Blick auf visuelle Kultur, als ein „Moment der Erschütterung oder
des Bruchs, in dem die Kontinuität gestört und die Praxis in Frage gestellt
wird.“ (ebd.: 41). Innere und äußere Grenzen wissenschaftlicher Disziplinen
würden durch solche Momente erschüttert, dekonstruiert und transformiert.
Das Chaos und das Staunen, das damit wiederum einhergeht, betrachtet er
als Chance für die Entfaltung verschiedener Wissensformen und damit als
essenzielle Elemente auf dem Weg zu neuer Erkenntnis. Dementsprechend
besteht in meinem undisziplinierten Feld die Herausforderung, in Praxis,
Empirie und Theorie verschiedene Wissensformen als Erkenntnis
quellen ein-
zu setzen und in einen Denkzusammenhang zu stellen. Mir ist kein disziplinär
verfasster Theorienkanon vorgegeben — wodurch ich mich in einer Situation
befinde, die etwa Paul Feyerabend als durchaus wünschenswert beschreibt,
denn „die Welt, die wir erforschen möchten, ist etwas weit
gehend Unbekanntes.
Daher müssen wir uns offenhalten, dürfen uns nicht im Voraus beschränken.“
(2013: 17). In Abschnitt 1.1 führe ich mit der Praxeologie (Bourdieu/Wacquant
2006) die erkenntnistheoretische Grundlage für meine Forschungsarbeit aus.
In Abschnitt 1.2 beschreibe ich meinen Kulturbegriff in Anlehnung an Homi
Bhabhas Konzept der kulturellen Differenz (Bhabha 2004). Damit positioniere
ich mich in Abschnitt 1.3. nahe der konstruktivistischen Ausprägung der
Reflexiven Grounded Theory (Breuer 2010). In Abschnitt 1.4. erläutere ich mit
dem Prinzip des Forschenden Lernens (Bundesassistentenkonferenz 2009;
Huber 2009) den empirischen Kontext meiner Forschungsarbeit. Ich gehe
davon aus, dass sowohl Erkenntnisinteresse als auch Erkenntnis gewinn an
Menschen als Subjekte gebunden sind. Den Forschungsgegen
stand bilden
dementsprechend Menschen und ihre Interaktionen. 22
Generative Bildarbeit
Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
- Titel
- Generative Bildarbeit
- Untertitel
- Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
- Autor
- Vera Brandner
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-5008-6
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 276
- Schlagwörter
- Forschendes Lernen, Fotografische Praxis, Methodik, Generative Bildarbeit, Grenzarbeit, Kulturelle Differenz, Praxeologie, Selbstversuch, Reflexive Grounded Theory, Selbstwahrnehmung, Fremdwahrnehmungen, Situationalität, Reflexivität
- Kategorie
- Medien