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zwischen Theorie und Praxis leisten möchte. Die dialogischen Prozesse, die
dafĂĽr eine notwendige Voraussetzung darstellen, umgeben mich und bestim-
men in gewisser Weise mein Forschen an unterschiedlichen Orten, in ver-
schiedenen Konstellationen, in unterschiedlicher Intensität. Die schriftliche
Ausarbeitung dazu findet sich in dieser Arbeit als praxeologischer Selbst-
versuch (Kapitel 1).
1.2 KULTURTHEORETISCHE GRUNDLAGE — KULTURELLE DIFFERENZ
“The borderline engagements of cultural difference may as often be
consensual as conflictual; they may confound our definitions of
tradition and modernity; realign the customary boundaries between
the private and the public, high and low; and challenge normative
expectations of development and progress.” (Bhabha 2004: 3)
Ich orientiere mich in meinem Kulturverständnis an Homi Bhabhas Konzept
der kulturellen Differenz. Damit positioniere ich mich in einem produktiven
Grenzraum (Bhabha in Rutherford 1990: 209), in dem Kultur durch Differenz
erst entstehen kann. Menschen als reflexive Wesen spielen dabei die zentrale
Rolle, da sie in der Lage sind, sich selbst als Differenzwesen zu erfassen
(Jäggle/Krobath 2010: 57). Grenzen bzw. Grenzräume stellen bei Homi Bhabha
in Anlehnung an Martin Heidegger nicht Hindernisse dar, sondern dienen als
Räume des Übergangs, in denen gemeinsames Denken und Handeln erst
möglich wird (Heidegger [1951] in Hermann 2000). In seiner Theorie zu kultu-
rellem Wandel und Transformation bezieht sich Homi Bhabha auf poststruk-
turalistisches und psychoanalytisches Denken, er baut auf Karl Marx, Louis
Althusser, Frantz Fanon, Jacques Derrida und Jacques Lacan auf (Castro
Varela/Dhawan 2005: 83ff.; Bhabha in Rutherford 1990: 208–209). Das Kon-
zept der kulturellen Differenz setzt er einem multikulturalistischen Kultur-
verständnis entgegen, das sich auf kulturelle Diversität bezieht (Bhabha 2004:
50). Mit dem Begriff des Multikulturalismus bezeichnet er eine Art hegemo-
niale Reaktion auf Vielfalt und Verschiedenheit, die Konsens auf der Basis
der eigenen Normen erzwinge (ebd.: 56) und dabei auĂźer Acht lasse, dass
Wandel nicht von abgeschlossenen, autonomen Individuen bestimmt wird,
sondern vielmehr von multiplen Identitäten, die sich ständig im Werden
befinden.
“What is at issue is a historical moment in which these multiple identi-
ties do actually articulate in challenging ways, either positively or
negatively, either in progressive or regressive ways, often conflictually,
sometimes even incommensurably — not some flowering of individual
talents and capacities.” (Bhabha in Rutherford 1990: 208)
Diese multiplen Identitäten seien nicht nur verschieden, sondern unterschie-
den sich grundsätzlich voneinander, da sie in gegensätzliche Kontexte und
permanente Identifikationsprozesse eingeschrieben seien. Multikulturellen
Konsens herzustellen, ist demnach für Bhabha unmöglich. Es werde dabei
Generative Bildarbeit
Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
- Titel
- Generative Bildarbeit
- Untertitel
- Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
- Autor
- Vera Brandner
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-5008-6
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 276
- Schlagwörter
- Forschendes Lernen, Fotografische Praxis, Methodik, Generative Bildarbeit, Grenzarbeit, Kulturelle Differenz, Praxeologie, Selbstversuch, Reflexive Grounded Theory, Selbstwahrnehmung, Fremdwahrnehmungen, Situationalität, Reflexivität
- Kategorie
- Medien