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2009). Mit ihrem Konzept des Forschenden Lernens bezieht sich die BAK auf
ein humanistisches Bildungsverständnis, wie es von Wilhelm von Humboldt
und Friedrich Schleiermacher zu Beginn des 19. Jahrhunderts propagiert
wurde (Huber 2009: 4; Humboldt 1809/10; Schleiermacher 1808). Beide Gelehr-
ten verfolgten die Idee einer Universität, in der Studierende aktiv an der
Wissenschaft mitwirken und, befreit von anderen Pflichten, die Wissenschaft
als Arbeit betrachten, die nie abgeschlossen ist. Student_innen sollen dem-
nach im besten Sinn forschend lernen — in wechselseitigem Austausch mit
den Lehrenden (Huber 2009: 4).
1.4.1 ZIELORIENTIERUNG DES FORSCHENDEN LERNENS
Das Konzept des Forschenden Lernens ist in Hinblick auf ein Kernziel der
pädagogischen Praxis angelegt: Es geht darum, lernende Menschen „zu selbst-
verantwortetem Handeln gemäß eigener Einsicht“ (Benner 1991: 276, 281)
anzuregen und zu befähigen und so ihr Mitwirken an der „menschlichen
Gesamtpraxis“ (ebd.) zu fördern. Lernen und Handeln bauen demgemäß auf
dem Selbstverhältnis der Menschen sowie auf ihrer Neugier und ihrer Fähig-
keit auf, im Reflexionsprozess eine Verbindung zwischen Eigenem und Ande-
rem herzustellen. Was bei Paulo Freire generative Bildungspraxis (Freire 1978:
88) heißt, ermöglicht Dietrich Benner zufolge verantwortungsvolles Handeln,
das als Fähigkeit „nur unter Anerkennung der Freiheit, Geschichtlichkeit und
Sprachlichkeit menschlicher Praxis“ (Benner 1991: 286) ausgebildet werden
könne. Forschendes Lernen kann im Bereich handlungstheoretischer Felder —
wie der Praxis- und Aktionsforschung — angesiedelt werden, in denen ein
dialogisch-kommunikatives Forschungsverständnis besteht (Meyer 2003:
104). Es steht aber auch in direktem Bezug zu konstruktivistisch geprägten
Forschungsbereichen, in denen Situiertheit, Kontextabhängigkeit, (Selbst-)
Reflexivität und wechselseitiges Lernen als Forschungsprinzipien gelten
(Reiber 2007: 11). In diesem Sinn ist beispielsweise die transdisziplinäre Nach-
haltigkeitsforschung einer jener Bereiche, in denen forschende Lernprozesse
von zentraler Bedeutung sind (Vilsmaier/Lang 2014: 91; Klein et al. 2001: 4).
Forschendes Lernen kann auch im Nahverhältnis zu weiteren pädagogischen
Konzepten wie dem entdeckenden Lernen, dem problemzentrierten Lernen,
der Projektarbeit, dem unabhängigen Studium, der Studierendenzentrierung etc.
betrachtet werden (Huber 2009: 11). Als Charakteristika, die das Forschende
Lernen von anderen Konzepten abgrenzen, nennt Ludwig Huber: die Selbst-
ständigkeit im Vorgehen; die Gewinnung neuer Erkenntnisse, die auch für
Dritte relevant sind; die Entwicklung sozialer Kompetenz durch das gemein-
same Tun (ebd.: 11–12).
Forschendes Lernen verstehe ich somit als eine aktive, reflexive, selbst-
bestimmte, experimentelle, kreative und situative Lern- und Forschungsform,
in deren Rahmen ich als Lehrende mit den Studierenden gemeinsam arbeiten
kann. Diese Lern- und Forschungsform stellt eine lebendige Alternative zu
rein rezeptiven Verfahren dar (Bönsch 2000: 235). Im Gegensatz zu diesen
stehen beim Forschenden Lernen Erfahrung, Gestaltung und Reflexion im
Zentrum, wesentliches Ziel ist demgemäß eine Form der Selbstbildung durch
Forschen und Nachdenken. Eine Voraussetzung hierfĂĽr besteht darin, als
Generative Bildarbeit
Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
- Titel
- Generative Bildarbeit
- Untertitel
- Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
- Autor
- Vera Brandner
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-5008-6
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 276
- Schlagwörter
- Forschendes Lernen, Fotografische Praxis, Methodik, Generative Bildarbeit, Grenzarbeit, Kulturelle Differenz, Praxeologie, Selbstversuch, Reflexive Grounded Theory, Selbstwahrnehmung, Fremdwahrnehmungen, Situationalität, Reflexivität
- Kategorie
- Medien